Archiv für 17. Dezember 2015
CAMINO REAL del SUR (5)
Camino Real del Sur
5. Etappe
Granadilla – Mirador de La Centilena
oberhalb von Valle de San Lorenzo
Elisabeth und ich wir beglückwünschen uns, dass wir nach der schrecklichen 3. Etappe nicht die Flinte ins Korn geworfen haben sondern unserem Plan, den gesamten Camino Real del Sur von Candelaria nach Santiago del Teide zu gehen, treu gebieben sind.
Die heutige Etappe war einfach schön!
Herrlicher Sonnenschein!
Wolkenloser, himmelblauer Himmel!
Keine Schwierigkeiten!
Weg fast auf Anhieb immer richtig gefunden!
Abwechslung am laufenden Meter von landwirtschaftlich genutzten Flächen, schönen, freistehenden Häusern, Caserios, bis hin zu diversen Kirchen und Sehenswürdigkeiten oder bemerkenswerten Dingen, Kunst imGarten.
San Miguel hat uns begeistert.
Wanderwegstrecke: 12,7 km in 4 Stunden 50 Minuten
Für GPS-Fans die Tour als GPX-Datei im Zip-Format
Mit dem Bus Nr. 416 fuhren wir bis Granadilla und gingen erst bis zur Kirche San Antonio de Padua, zum einen, weil wir hofften, wir könnten sie heute vormittag besichtigen – leider vergebens – zum anderen wollten wir den Anschluß des Camino Real del Sur hier weiterführen.
Wir machten einen Schlenker auf dem Weg zum Rathaus ins Tourismusbüro, um doch noch einen Plan des alten Pfades zu bekommen. Wir wurden beschieden: Nein, gibt es nicht, die Strecke ist zu gefährlich.
Jedoch wird im „Vorhof“ des Rathauses mit wuchtigen Ficusbäumen auf einer Infotafel der Camino Real Granadilla – San Miguel dargestellt und beschrieben.
Hier befindet sich auch das Kloster San Franciscanus de San Luis.
Wir wissen, dass wir in die Calle Aguilillas abbiegen müssen, aber vor lauter Schauen und Erzählen laufen wir erst mal dran vorbei.
Im zweiten Anlauf klappt es dann und wir müssen sofort sehr steil, schweißtreibend aufsteigen bis zur „Paisaje Aguilillas“.
Jedoch, wir sind immer wieder überrascht, wie schnell man Höhe gewinnt. Der Trick dabei ist, nicht nach vorne oder oben zu schauen sondern auf die Füße und Schritt vor Schritt zu setzen.
Diesen Trick haben wir vom Straßenkehrer Beppo aus „Momo“ von Michael Ende.
„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte:
„Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“
Bei drei hölzernen Telegrafen-Masten können wir dann schon den Asphalt verlassen und biegen in eine grüne Hölle ein mit schönem Blick – wie schon oft gehabt – auf das Meer, den Hafen von Granadilla – die Berge, selbst Guajara und Sombrero wie Teide – wolkenlos!
Wir wandern wieder auf original Königswegpflasterung!
Nur knapp 10 Minuten später erreichen wir die Calle Las Chozas, passieren den Fußballplatz, queren die TF 21 bei km 84 und bei einer Ansammlung Eukalyptusbäumen tauchen wir wieder in das Grün ein.
Kaktusfeigen, Tabaibas, Wermut und und und eine hohe Mauer aus Vulkangestein säumt den Pfad. Die Hänge sind gesprenkelt mit den weiß leuchtenden Margeritensträuchern und die Montaña Roja in El Médano sowie die vielen Vukankegel fangen den Blick.
An einer Wasserverteilungsanlage und einem mal gut gefüllten Wasserreservoir gehen wir vorbei.
Der Weg führt an der Kapelle der „Virgen de las Nieves“ vorbei (geschlossen). Auf dem Kirchplatz gibt es sogar einen alten Backofen.
Landwirtschaft wird hier intensiv betrieben. Die Beete sind gut bestellt und mit Jable, dem hilfreichen Tuffsteinchen schon vorbereitet für die nächste Aussaat, Anpflanzung oder die Samen wurden schon ausgebracht? Inzwischen gehen wir wieder eine kurze Strecke auf Asphalt und passieren einige versprengte Häuser, die ihre Mauern liebevoll mit Kakteen geziert haben und abwärts geht es wieder in eine Schlucht auf Camino Real Pfad.
Wir steigen auf und gelangen in die Calle La Peña, blicken zurück über das Dach eines verfallenen Hauses und staunen selbst, wie schnell wir immer „Strecke“ machen.
Wir sind im Örtchen Charco del Pino angekommen.
Vor uns geht der Blick auf den Mirador Chiñama – den Aufstieg sparen wir uns heute und kurz darauf sind wir auch schon wieder auf einem Kirchplatz, Plaza de Charco del Pino.
Auf der auch hier angebrachten Infotafel werden wir auf die Geschichtsträchtigkeit aufmerksam gemacht, dass hier in der Nähe die Ureinwohner mit ihren Herden an die Tränke zogen, dass später Bauern, Mönche und Fischverkäufer den königlichen Weg entlang zogen.
Die Kirche – Iglesia de San Luis IX – natürlich verschlossen – war früher eine Einsiedelei – sie beherbergt das Originalbildnis des Heiligen Bischofs Ludwig, König von Frankreich, der die Dornenkrone Christi in der Hand hält, die er während der Kreuzzüge aus dem Heiligen Land nach Paris bringen ließ.
Ein kleines Stückchen müssen wir auf der TF 28 gehen, jedoch kurz nach km 78, beim Ortsausgangsschild „Charco del Pino“ geht es links schon wieder „in die Büsche“.
Kaktusfeigen, Kaktusfeigen! Seit die Farbe, die u.a. für Lippenstifte gebraucht wurde, syntetisch hergestellt wird, hat das Einsammeln der Cochinilleschildlaus, deren Wirt ja die Katusfeigen, Opuntien sind, ausgedient und damit auch ein Erwerbszweig.
Offensichtlich versucht man Gelände wieder für die Landwirtschaft urbar zu machen. Wir beobachten einen Mann, der eine der Vulkansteinmauern erneuert und Kaktusfeigen rodet.
Unser Weg ist gut auszumachen, gut zu gehen, und oh Wunder: Schon wieder steht eine Informationstafel unverhofft in der Landschaft.
„Tramo del Camino Real del Sur – Barranco de la Orchilla“
Hier wird wieder auf die Wichtigkeit dieses Weges in früheren Zeiten verwiesen, der die Hauptstadt mit dem Süden verband.
Auch der Landwirtschaft wird ein Absatz gewidmet.
Aus dem Bus haben Elisabeth und ich gerätselt, wie wir wohl diesen tiefen, engen Barranco queren werden. Wir vermuteten, dass wir auf der TF 28 über die Brücke gehen müssten.
Nun wissen wir: NEIN, nicht die Straße: runter in den Barranco bis zum Grund der Schlucht und auf der anderen Seite wieder hoch.
Wuchtige, beeindruckende Felsen ragen auf, Aeonien und das zwar hübsch im Wind sich wiegende borstige Federborstengras – das ebenso aggresiv und schädlich ist wie in Deutschland das asiatische Springkraut, da es die heimische Flora zurückdrängt – sind die Wegbegleiter und wie sind wir mal wieder überrascht, dass wir diese Schlucht in 20 Minuten bewältigt haben.
Wen man sich überlegt, hier wurden Kamele, Pferde und Esel mit Lasten beladen von ihren Begleitern durchgeführt: Alle Achtung!
Oben angekommen wandern wir an einer Ziegenfarm vorbei.
War natürlich die Pflasterung im Barranco schmal so wandern wir zum ersten Mal auf einem breit-gepflastertem Abschnitt, gleich einer Avenida.
Am „La Casa-Granero de Viña Vieja“ (Alte Rebe) lesen wir erst wieder die Infotafel und stoßen dabei auf den Besitzernamen „Soler de Chasna“ dem wir ja erst auf der Wanderung „paisaje lunar“ begegnet sind.
Es gab hier einen Garten, einen Ofen und eine Quelle. Ganz wichtig.
Leider ist dieses schöne Anwesen dem Verfall preisgegeben und in der Quelle schwimmt Unrat. Schade!
An Weinrebenfeldern wandern wir zügig bis zur Kirche von San Miguel de Abona.
Auch hier wieder diverse Infotafeln, die sich im Hinblick auf die Wichtigkeit des Camino Real del Sur wiederholen. Neu ist hier jedoch die Beschreibung des alten Ortskerns von San Miguel mit seinen Häusern aus dem 18. und 20. Jahrhundert gesäumt wird.
Bei unserer Weiterwanderung stellen wir fest, dass die Aussage „Diese Gebäude zeichnen sich dadurch aus, dass sie allesamt gut erhalten sind und die typische Bauweise der mittleren Höhenlagen im Süden von Teneriffa darstellen“ wirklich zutrifft.
Auch sind entlang dieser Hauptstraße von der Kirche aus an ehemals wichtigen Gebäuden Hinweistafeln angebracht sind, z.B.
– das Geburtshaus von D. Juan Bethencourt Alfonso im Jahre 1817, einer berühmten Persönlichkeit in der kanarischen Kultur. Er war Arzt, Anthropologe, Professor, Historiker und Journalist.
– die jetzige Bibliothek von San Miguel, ist in einem Haus untergebracht, das im 18. Jahrhundert von der Familie Alfonso Calzadilla errichtet wurde. Es hat eine wechselhafte Geschicht: wurde erst dem Gemeinderat überlassen, nachdem König Ferdinand VII untersagt hatte, politische Versammlungen in religiösen Gebäuden abzuhalten die vorher auf dem Kirchplatz abgehalten wurden, es war Gefängnis bis 1944, dann staatliche Schule, Mittelschule, Wohnung und nun Bibliothek.
– „Calle de la Iglesia“ = die Kirch-Straße, es wird aufgeführt, wie wichtig sie für den Austausch von lokalen Erzeugnissen und frischem Fisch von der Küste, wie wichtig sie für das urbane Leben war: wohlhabende Familien wohnten mit ärmeren im selben Viertel
– die eheamlige Gofiomühle – dass sie nicht mehr in Betrieb ist, konnten wir sofort an dem fehlenden typischen Geruch feststellen, wie man ihn noch in Granadilla und Adje schnuppern kann
– der ehemalige Generator, der 1922 installiert wurde und San Miguel als erste Gemeinde im Süden von Teneriffa mit einer öffentlichen Straßenbeleuchtung versorgte
– Casa del Capitán, war das Wohnhaus von Don Miguel Alfonso Martínez und seiner Familie. In dem ca. 100 Jahre alten Gebäude, im typischen kanarischen Stil erbaut, befindet sich nun ein Museum mit dauernden und wechselnden Ausstellungen und eine Töpferei.
Vor Jahren haben wir es mal besucht und waren recht angetan.
Zudem entdecken wir außergewöhnlich Fensterdekorationen von der Spitzendecke an der Außenwand über den besonderen Adventsschmuck in den Fenstern. In einem netten Lädchen, in das wir einen Blick werfen, werden wir mit selbstgebackenen Plätzchen beschenkt.
Ach, wir fühlen uns hier richtig wohl!
Wir wandern noch an dem Hotel Rural vorbei mit Olivenbaum auf der Dachterrasse, hier haben deutsche Freunde zweimal logiert und waren – wenn man hier oben von den kühlen Temperaturen im Normalfall absieht – sehr zufrieden.
So, nun haben wir den Ort abgeschritten und befinden uns in der Calle El Calvario.
Noch eine Erklärungstafel zu Calvario, dann biegen wir in die Calle La Cruz ein und folgen dem Wander-Hinweisschild „Aldea blanca 6,6 km“ vorbei an einem gut gefüllten Wasserbecken. Den Blick schon gerichtet auf unser heutiges Ziel Mirador de La Centilena, folgen wir dem nächsten Hinweisschild „Aldea blanca 6,5 km“ und weg sind wir vom Asphalt.
Ein Blick in einen Barranco und nun bleiben wir an einem Gartenzaun erstmal stehen und staunen, fotografieren und sammeln Anregungen für unseren Freund Georg Helten, denn hier hat auch ein Künstler Eisen, vermutlich Schrott, zu Kunstwerken umgewandelt.
Auf „Königspflaster“ schreiten wir kräftig aus – inzwischen ist es 14 Uhr und der „Stern“ brennt erbarmungslos, gefühlte 30 Grad ohne jeden Schatten.
ABER: Wir kommen nun in bekannte Gefilde. Die wunderbare Stricklave auf diesem – früher von uns als Rundweg gegangenen Weg – am 11. Februar 2013 unter „Mirador de la Centilena – La Hoy – Fuente de Tamaida“ beschrieben
führt uns in den Barranco.
Wieder eine Informationstafel, der noch mehrere folgen werden. Nur soviel zu dieser: Es wird aufgezeigt, dass hier die Urbanisation von San Miguel begann, es gilt als die Wiege, denn es gab mehrere Quellen. Wasser!
Bei der Gabelung halten wir uns links, um nach einem Stück rechts zur Quelle abzusteigen.
Auch hier wieder Überraschung: Zur besseren Begehung wurde ein Steg errichtet.
Diesmal verkneifen wir uns zu den Quellen hochzukraxeln, dafür zwängen wir uns durch die riesengroßen Felsbrocken und: ja, wir steigen wieder auf.
Um 14:30 Uhr erreichen wir die Asphaltstraße und sind in La Hoya.
Noch schnell die paar Schritte links runter bis zu dem 1993 renovierten Ziegelofen, die Erklärungen, wie aufgebaut und wie gearbeitet wurde, überflogen und dann machen wir unsere verdiente, obligatorische Apfelpause.
Seit unserem letzten Besuch hier hat sich nichts verändert, sieht man davon ab, dass das Wohnhaus nach dem Hotel rural sein Hofgitter pink-lila in den Farben der üppig blühenden Boungaville gestrichen hat.
Eine weitere Informationstafel klärt uns auf, wobei ein ein Übersetzungsfehler dazu führte, dass aus camino real (Original) Autobahn wurde.
Die Quellen unterhalb allerdings führen momentan wohl kein Wasser.
An Hinweistafeln wurde nicht gespart, die sind für uns alle neu:
Auf einer wird auf die Einzigartigkeit dieser Gegend hier im Süden hingewiesen. 52 archäologische, registriete Fundstellen, von denen 32 vorgeschichtliche Felsmalereien enthalten. Zudem fand man Wohn- und Begräbnishöhlen.
Wir hatten uns schon einmal intensiv versucht, Felsmalereien ausfindig zu machen, ist uns jedoch nie gelungen.
So, wir rüsten zum Endspurt: Noch einen kräftigen Schluck Wasser und der Aufstieg zum Mirador de La Centilena nehmen wir in Angriff.
Vorbei an einem alten verfallenen Haus, offensichtlich einem abgestürzten und ausgebrannten Auto lesen wir nochmal die Information über das Naturschutzgebiet und Naturdenkmal Roque de Jama, den wir ja erst kürzlich von zwei Seiten zu besteigen versuchten. (24.11.2015).
Kurz vor halb Vier haben wir das Restaurant und zugleich den Aussichtspunkt „La Mirador de Centilena“ – das nach Plänen von Cäsar Manrique erbaut wurde – erreicht und werden schon von meinem lieben Mann, dem Taxi IrmEli erwartet.
Übrigens: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass sich im unteren Teil des Gebäudes eine Kochschule befinden soll, dass ist längst Vergangenheit.
Fazit:
Diese Etappe, dieser Streckenabschnitt war einfach schön! So vielfältig, so lehrreich.
Gut, dass wir nicht aufgegeben haben!
Nun freuen wir uns schon auf die nächste Fortsetzung von hier oben vom La Mirador de Centilena nach Arona? Oder doch bis Adeje? Mal sehen, wie weit die Füße Tragen.
Beispiele der Pflasterung