Donnerstag, 3. Juni 2004
9.20 Uhr Abfahrt mit dem Bus nach Gödöllö, zum Sissi-Schloß, dem zweitschönsten Barockschloß des Landes. Die Fahrten mit dem Bus vermittelten mir genau den Eindruck den ich mir von Ungarn gemacht hatte. Viel Landschaft, kleine Häuser, man wartet direkt darauf, daß die Gänse noch über die Straße laufen. Um 10.30 – 11.20 Uhr war eine Führung durch eine ungarische Kunsthistorikerin im Schloß angesagt.
„Das Schloß entstand 1744-50 nach den Plänen von Andreas Mayerhoffer für Graf Antal Grassalkovisch, einem der mächtigsten Magnaten des 18. Jahrhunderts und Vertrautem der Kaiserin Maria Theresias. Die Führerin erzählte uns die Anekdote, daß, als Kaiserin Maria Theresias einmal in das Schloß zu Besuch kam, ließ er sie von der Ortsgrenze mit Schlitten abholen, die sie so liebte. Da es jedoch gerade Sommer war, Schnee also nicht vorhanden, löste er das Problem, indem er Salz streuen ließ. Zudem ließ er für diesen einen Besuch für sie ein Zimmer ganz in Marmor herrichten.
Die von einem Park umgeben U-förmige Anlage umfasste Ställe, eine Orangerie, Theater und Kirche. Im Jahr des Ausgleichs 1867 schenkte die ungarische Nation sie dem Habsburger Königspaar Franz Joseph I. und Elisabeth (= „Sissi“) als Lustschloß. Eine besondere Rolle spielte hier wohl einer der wichtigsten ungarischen Politiker, Graf Gyula Andrássy. Nicht sicher ist, wie weit die Vertraulichkeiten zwischen „Sissi“ und dem als sehr anziehend geltenden Andrássy gingen. Sicher ist, dass sich Sissi den Ungarn stark verbunden fühlte, fließend ungarisch sprach, Ungarns Geschichte studierte, ungarische Literatur las und zudem noch eine ausgezeichnete hübsche Reiterin war und dieses Schloss als Fluchtpunkt vor ihrer Schwiegermutter und Tante zugleich, Erzherzogin Sophie, nutzte. Ihre Verehrung für den untersetzten, jovialen Ferenc Deák dem „Weisen“ des ungarischen Vaterlandes, zeigte sie offen.
Zudem hat Elisabeth, als habsburgische Kaiserin, eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung des Ausgleichs zwischen Österreich und Ungarn gespielt.
Nach dem Zusammenbruch der K.u.K.-Monarchie 1918 wurde es die Sommerresidenz von Reichsverweser Miklós Horthy, der Ungarn an der Seite Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg führte. 1944 erst von deutschen, dann von russischen Truppen geplündert und zerstört, wurden die Wirtschaftsgebäude ab 1950 sowjetische Kaserne und das Schloß Altenheim. Die Spuren dieser Zeit sind noch an den Nebengebäuden und im Park erkennbar.
Das Hauptgebäude erstrahlt dagegen in neuem Glanz. Gegenwärtig sind 26 rekonstruierte Räume zu besichtigen, zu großen Teilen mit zeitgenössischem Mobiliar anderer Schlösser eingerichtet oder mühevoll auf weltweiten Auktionen ersteigert. Die persönlichen Räume von Sissi waren in veilchenblau, ihrer Lieblingsfarbe gehalten.
Nach den ausführlichen, kurzweiligen Ausführungen unserer Führerin lud uns Herr Alexander auf Kosten von Studiosus in die hübsche Schloßkonditorei zu Kaffee und Kuchen ein.
Um 12.15 bis 14.00 ging unsere Fahrt weiter nach Kecskemét, in die Hauptstadt von Kleinkumanien, in die südliche Tiefebene.
Unser erster Gang führte uns zum Rathaus. Das auffälligste Gebäude ist 1896 nach den Plänen von Ödön Lechner und Gyula Pártos entstanden. Es ist ein zu Stein gewordener Ausdruck des im 19. Jahrhundert erwachten Nationalgefühls. Jugendstil nach ungarischer Art. Herr Alexander ermöglichte uns die Besichtigung des Prunksaals mit historischen Bildern von Bertalan Székely, der heute als Ratssaal dient. Das stündlich erklingende Glockenspiel hörten wir uns nach einem kurzen Rundgang an. Vorher bestaunten wir jedoch den „Bunten Palast“ (Cifra Palast), noch ein Schmuckstück der Stadt. Déza Márkus, ein Schüler Ödön Lechners, entwarf den Jugendstilbau um 1902 als Geschäfts und Wohnhaus sowie Sitz des Handelskasinos. Bemerkenswerk sind die feinen Details. Die Jugendstilelemente sind der ungarischen Stickkunst entlehnt, während die an Backwerk erinnernden Schornsteine den orientalischen Einfluß von 150 Jahren osmanischer Herrschaft aufgreifen. Heute befinden sich hier die Räume der Kecskeméter Bildergalerie. Direkt gegenüber liegt das blendend weiße Gebäude der Synagoge, 1871 nach Entwürfen von Johann Zitterbarth im maurischen Stil erbaut. Heute beherbergt es das Haus der Technik und die Michelangelo Galerie mit Kopien des italienischen Renaissancemeisters. Ein kurzer Halt in einer Eisdiele, über den Platz mit vielen schön gestalteten Verkaufsständen, dann dem Glockenspiel gelauscht und zurück zum Bus.
15.20 Uhr ging die Fahrt weiter in die Puszta zu einem Gehöft, dem Varga Tanya.
Die Puszta
Asien beginnt jenseits der Donau, sagen die West-Ungarn, und für Nicht-Ungarn liegt Ungarn östlich der Donau, denn sie verbinden in der Regel mit Ungarn die Puszta, eine flache Bilderbuchlandschaft mit Ziehbrunnen, einzelnen Höfen und Pferdeherden.“ Wie alles ist auch die Puszta durch die Eingriffe der Menschen nicht mehr das, was sie früher einmal war. So handelt es sich bei der heutigen Pusztasteppe um keine ursprüngliche Naturlandschaft, sondern um ein einzigartiges Naturdenkmal mit einer einzigartigen Flora und Fauna. In Europa findet man ähnliche Gebiete nur noch in Südrußland. Trotzdem prägen noch bis heute kleine Einzelhöfe mit Ziehbrunnen das Landschaftsbild der Tiefebene.
Der Besitzer hat es verstanden, nach dem Motto: „Wie es früher einmal war“ dies touristisch zu vermarkten. Sicher nicht schlecht, man könnte hier auch Reiterferien, 1 Woche mit 10 Reitstunden für rund 330 Euro machen.
Wir werden mit Marillenschnaps und Gebäck am Bus empfangen. Leider: Es regnet, der Boden rund um das Gehöft ist aufgeweicht, wir waten durch Schlamm und versuchen wenigstens halbwegs trockene Stellen zu finden. Schleichen uns durch die Ställe und gelangen so zur überdachten Zuschauertribüne von der wir die Reitvorführungen beobachten können. Schade, schade! Wir halten die Schirme vor unsere Beine damit der durch die zum Teil sensationellen Darbietungen – 1 Reiter führt stehend auf dem letzten Pferd 10 Pferde am Zügel – aufgewühlten Schlamm nicht zu verspritzt werden.
Oh Wunder: Es hörte auf zu regnen und wir konnten eine Kutschfahrt zu einem Nachbargehöft machen. Die jetzigen Besitzer konnten das Gut, das vorher den Großeltern der Besitzerin gehörte, nach der Enteignung durch die Kommunisten zurückkaufen und haben nun einen biologisch-geführten Betrieb aufgebaut nach dem Gedanken von Rudolf Steiner. Wir bestaunten das liebevoll gestaltete Museum, das uns zeigt wie einst hier gelebt wurde, machten einen Rundgang und ich sah zum ersten Mal ein Wollschwein. Zur Zeit war Leben auf dem Hof, eine Waldorf-Schulklasse machte Ferien auf dem Lande. Auch trocken kamen wir zurück und nun war zünftiges Essen angesagt. Gulaschsuppe, Brot, Rot- oder Weißwein und dazu Zigeunermusik. 5 Musiker machten sicher keine schlechte Musik, aber so was von laut, unerträglich.
Dadurch bedingt waren wir dann froh als um 20 Uhr die Heimfahrt angetreten wurde. Selbst auf dieser langen Strecke wurde die geplante Ankunftszeit um 21.30 Uhr am Hotel eingehalten.