St. Petersburg – Moskau
20.8. bis 30.8.2006
Montag, 28.8.2006
Erster Blick aus einem unserer beiden Kabinenfenster: trocken.
Frühstück und dann am Bug gestanden und die Landschaft vorbeiziehen lassen. Teils sonnig, aber frischer Wind.
Von 10.30 Uhr bis 11.15 Uhr zeigt der Kameramann Aivar eine Vorschau auf das während der Reise gedrehte Video in der Sky Bar. Es ist recht gut, er hat schöne Stimmungen eingefangen, natürlich die Sehenswürdigkeiten und zwischendurch immer wieder die Teilnehmer. Teils in der Gruppe, teils in Einzelaufnahmen. Aber wir haben entschieden, es nicht zu kaufen, das Band für 25.- Euro und die DVD für 35.-, denn wir sehen uns ja unsere früher selbst gefilmten Berichte nie an. Ich denke nur an Namibia von 1992.
Um 12 Uhr findet das Mittagessen statt. Das schöne Salatbüffet gibt es schon seit Tagen nicht mehr. Das Essen ist sehr gut, sehr, sehr schön angerichtet, viele nette Dekoideen, und auch sehr überschaulich. Davon könnte man eigentlich nicht zunehmen.
Wir stehen wieder am Bug und lassen die Peripherie von Moskau an uns vorbeigleiten.
Wir befinden uns auf dem Moskau Kanal. Wie ich nachgelesen habe, träumte schon Peter der Große davon, ungehindert von St. Petersburg nach Moskau zu segeln. Doch erst im Jahre 1825 wurde sein Traum Wirklichkeit, durch den Bau eines Kanals, der den Fluss Moskwa mit der Wolga verband. Der Kanal hatte jedoch nur eine kurze Lebensdauer, da seine Instandhaltung vernachlässigt wurde und man sich mehr für die Erweiterung des Eisenbahnnetzes interessierte. Anfang der 30erJahres des 20. Jahrhunderts wurde Wasserknappheit in der Hauptstadt Moskau zu einem großen Problem und man brauchte einen Anschluss an eine ergiebigere Wasserquelle. Stalin fand des Rätsels Lösung und ließ einen Kanal zur Wolga bauen. Für das gesamte Projekt wurden insgesamt 240 Bauten errichtet, darunter 7 Dämme aus Beton, 8 Dämme aus Erde, 11 Schleusen, 8 Wasserkraftwerke, 5 Pumpstationen, 15 Brücken und das Nördliche Passagier Terminal mit seinem angrenzenden Frachthafen. Innerhalb von 5 Jahren war dieser Kanal fertig und der Umfang dieses Projektes übertraf bei weitem den Bau des Panama- und des Suezkanals. Am 15. Juli 1937 wurde der Kanal eröffnet und Moskau wurde zu einer bedeutenden Hafenstadt, die mit allen fünf russischen Meeren verbunden war. Außerdem gewann die Hauptstadt so eine neue Quelle zur Elektrizitätserzeugung.
Die Kapitäne der Schiffe schätzen die konstante Tiefe des Kanals, seinen geraden Verlauf und die Windgeschützheit. Die Passagiere genießen die Ruhe, den schönen Ausblick und die reizvolle Landschaft. Können wir bestätigen.
Um 13.30 legt die Mikael Lomonosov in Moskau an. Die 1,2,3, ganz vielen Busse warten schon auf die Teilnehmer der 2 Schiffe, die immerhin ca. 400 Personen an Land bringen.
Sind es bei uns überwiegend Engländer, eine Gruppe Dänen und ca. 50 deutschsprachige, so haben wir mitbekommen, dass auf dem Schwesterschiff auch Spanier sind.
Eine Snack Box bekommen wir mit, da wir nicht zur üblichen Abendessenszeit zurückkommen.
Man würde eigentlich voraussetzen, dass die Geschichte über das „Mekka“ Russlands genau dokumentiert ist, aber so ist es leider nicht. Die allgemein akzeptierte Version ihrer Gründung ist folgende:
“Moskau wurde von Yuri Dolgoruki, Großfürst von Suzdal und Kiew, gegründet. Der erste schriftliche Hinweis auf die Stadt stammt aus dem Jahre 1147. Im 13. Jahrhundert wurde das unabhängige Fürstentum Moskau ins Leben gerufen, und im 14. Jahrhundert war die Stadt ein Großfürstentum. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Moskau als Hauptstadt des ersten russischen Staates anerkannt. Die flächenmäßige Ausdehnung der Stadt sollte in den folgenden Jahrhunderten enorm wachsen.
Obwohl Peter der Große sich aus Angst vor Intrigen und Aufständen von Moskau abwandte und seine eigene Hauptstadt in St. Petersburg erbaute, blieb Moskau von immenser politischer und kultureller Bedeutung. Die russischen Zaren wurden weiterhin in Moskau gekrönt. 1918, fast 200 Jahre später und nur wenige Monate nach der Oktoberrevolution, wurde Moskau wieder Hauptstadt. Lenin und die neue kommunistische Regierung zogen von St. Petersburg nach Moskau. fortan hieß die Stadt „Hauptstadt des weltweit ersten Arbeiter- und Bauernstaates“. nach dem Zerfall der Sowjetunion bestätige eine Volksabstimmung Moskau erneut als Hauptstadt, diesmal jedoch als Hauptstadt eines neuen und demokratischen Russlands, der Russischen Föderation.“
Dies habe ich dem Reiseführer wortwörtlich entnommen.
Unsere örtliche Reiseleiterin heißt wieder Natalie und spricht ausgezeichnet deutsch.
Sie bringt die Erläuterungen eher in einem Plauderton rüber, ungewöhnlich aber sehr gut.
Sie heißt uns Willkommen in der Hauptstadt des größten Landes der Welt, ehemaliger Sitz eines Imperiums und Entscheidungsträger der Weltgeschichte. Eine Stadt, welche abwechselnd als asiatisch und europäisch angesehen wird – manchmal auch beides oder keines der beiden. Sie besteht seit fast 850 Jahren und befindet sich momentan in einer sich sehr schnell ändernden politischen und wirtschaftlichen Situation. Moskau präsentiert sich als eine Mischung aus alt und neu, bekannt und unbekannt, glänzend aber auch schäbig.
Auf unserer Fahrt in die Stadt lernen wir gleich den Moskauer Verkehr kennen und Nathalie erklärt uns, woran man einen guten Moskauer Autofahrer erkennen kann:
„Wenn auf einer vierspurigen Straße in fünf Reihen gefahren wird, findet eine guter Fahrer noch eine 6. Spur.“
Ein erster Stopp ist am Neujungfrauen Kloster. Seit 1934 ist hier die Filiale des Staatlichen Historischen Museums untergebracht. Es ist eines der schönsten baukünstlerischen Klosterensembles Moskaus, das 1524 auf Geheiß des Fürsten Wassili III. zum Gedenken an den Sieg des russischen Heeres im Kampf gegen den polnisch-litauischen Staat um die Grenzgebiete und die Heimkehr der Stadt Smolensk in das russische Reich errichtet worden ist. Das nahe am Südweg nach Moskau gelegene Kloster erfüllte wiederholt die Funktion eines Vorpostens. Es erfreute sich der Gunst und des Schutzes der Zaren und Bojaren, da die Nonnen dort Vertreterinnen der Zarenfamilie und der Familien des hohen Feudaladels waren. Peter der I. soll hier auch seine erste Frau mit ihrem gemeinsamen Sohn „deponiert“ haben.
Die alte Klosterkirche war der byzantinischen Gottesmutter von Smolensk geweiht, die als Heiligtum des Smolensker Fürstentums galt.
Das ehemalige Kloster ist wunderschön an einem Teich gelegen und natürlich ist große Fotosession angesagt.
Weiter geht die Fahrt vorbei an den riesigen Sportanlagen, die zur Olympiade 1980 (?) gebaut wurden, zum Sperlingsberg, um uns von hier oben einen Blick auf das Panorama Moskaus und den Fluss Moskwa zu gönnen und auf die Wolkenkratzer, die sog. „Sieben Schwestern“, die zwischen 1948 und 1957 auf Stalins Anordnung errichtet wurden . (Stalin hatte tatsächlich sieben Schwestern.) Ein achter Wolkenkratzer war in Planung, wurde jedoch nie gebaut. Das letzte zentrale Bauwerk, der Palast der Sowjets, sollte alle existierenden Wolkenkratzer in den Schatten stellen und von einer riesigen Lenin-Statue gekrönt werden. Die Erlöserkirche wurde gesprengt, um Platz für das Gebäude zu schaffen, doch die Bauarbeiten kamen nie über die Grundmauern hinaus. Nun ist die Erlöserkirche neu erbaut worden und strahlt weithin sichtbar mit ihren goldenen Kuppeln.
In unserem Rücken befindet sich das bis vor kurzem höchste Gebäude Moskaus, die von Stalin in Auftrag gegebene und im „Zuckerbäckerstil“ gestaltete Moskauer Lomonosov-Universität. – Michail Lomonosov ist auch der Namensgeber unseres Schiffes. Er war Gelehrter, Dichter, Wissenschaftler.
Auf dem Weg zur Metro sehen wir vom Bus aus das „Weiße Haus“, in dem jetzt die Duma untergebracht ist.
Und nun das Abenteuer Metro. Sie soll zweifellos die schönste Untergrundbahn der Welt sein, gleichzeitig das schnellste und billigste Verkehrsmittel der Stadt. Und aus unserer Erfahrung sicher auch das Lauteste.
Die faszinierende Moskauer Metro ist ein Monument des Sozialismus, das kontroverse Untergrundbahnprojekt wurde im Jahre 1932 auf Stalins Geheiß in Angriff genommen. Arbeiter und Baumaterialien wurden aus ganz Russland hierher gebracht. Es entstand ein kollektives Kunstwerk, bei dem die besten Künstler des Landes die Hauptthemen der kommunistischen Ideologie und der nationalen Geschichte zum Ausdruck brachten. Hier werden Helden des Alltags in der Kunst unsterblich: Arbeiter, Soldaten, Mutter und Kind, sowjetische Kriegshelden und andere abstrakte Symbole politischer Macht sind auf den Mauern verewigt. In der aufwändig gestalteten Metro, die in verschiedenen Steinarten erbaut und mit Fresken, Mosaiken und Stuck verziert wurde, achtete man auf äußerste Sauberkeit.
Wir steigen in die Linie 3 bei einer erste 1 ½ Jahre alten Station ein, am Park Pobedy, fahren 1 Station und bestaunen diese Lampen und Gemälde, weiter geht es zwei Stationen: wieder fallen die phantastischen Lampen auf, die Bronzefiguren, wie oben beschrieben, und nochmals fahren wir eine Station und betrachten die Gemälde, in Stuck gerahmt, die das Leben in der Ukraine zeigen.
Von hier gehen wir zum Roten Platz, kommen am Hotel Metropol vorbei, in dem Manfred vor 32 Jahren einen Lehrgang abgehalten hat. Wir erreichen den „Roten Platz“ durch das 1995 „wiederauferstandene“ Auferstehungstor, welches das Historische Museum mit seinen weißschimmernden Dächern und das ehemalige Lenin-Museum verbindet. Von hier eröffnet sich ein großartiger Blick auf den Platz, und wieder ein Superlativ: wohl einem der schönsten Plätze Europas. An der Westseite erheben sich die mächtigen Kreml-Türme. Vor dem imposanten Kreml nimmt sich das Allerheiligste der ehemaligen Sowjetunion, das Lenin-Mausoleum, geradezu bescheiden aus. Links dahinter sehen wir eine Büste Stalins, dessen Leichnam man aus dem Mausoleum verbannt und nun hier begraben hat.
Auf der Ostseite, für mich besser: links, erstreckt sich über 250 m lang die Front des Kaufhauses GUM und im Süden: also geradeaus sagt man erst mal wieder „oh“ steht die schöne Basilius-Kathedrale, die einer Märchenkirche gleicht.
Wie heißt es im Fremdenführer: „ Das ästhetische Zusammenspiel der Bauwerke, die aus fünf Jahrhunderten datieren, ist gewagt und spannungsreich, gelingt aber auf atemberaubende Weise. Der Platz ist für die Russen mehr als ein Spiel der Formen und Farben er ist ein fester Bestandteil des Nationalbewusstseins, der mit der russischen Geschichte verknüpft ist wie nur noch der Schlossplatz vor dem Winterpalais in St. Petersburg“. Eine wechselhafte Geschichte erlebte dieser Platz. Als Marktplatz in den alten Tagen Moskaus, Prunkzüge der Zaren oder Prozessionen der Patriarchen mit ihrem Gefolge, selbstherrlichen Bojaren und Aufständischen schlug man auf dem Roten Platz den Kopf ab. Nach der Revolution 1918 wurde der 500 m lange und 150 m breite Platz für Paraden mit Panzern und Kanonen. Alljährlich am Tag der Arbeit, 1. Mai und am Jahrestag der Oktoberrevolution defilierten Zehntausende von Werktätigen und Soldaten am Lenin-Mausoleum vorbei, auf dem sich die Partei-spitze aufgestellt hatte. 1991 verzichtete man erstmals auf Militärparaden. Übrigens, der Name „Roter Platz“ hat mit Kommunismus gar nichts zu tun, er geht auf eine Zeit zurück, als das Wort krasnaja sowohl „schön“ als auch „rot“ bedeuten konnte.
Nach den Erläuterungen von Nathalie werden wir entlassen und können auf eigene Faust das GUM und die Basilius-Kathedrale.
Für Manfred war es spannend, das GUM (übersetzt: staatliches Universal-Magazin) nach 32 Jahren wieder zu sehen. Damals war in den über 100 Läden kaum Ware und es war für unansehnliche Waren und leere Regale berüchtigt. Inzwischen ist es privatisiert und westliche Luxusgüter beherrschen das Bild. Es ist unbeschreiblich! Innen besteht es im Grunde genommen aus 3 Einzelbauten über die gesamte Länge von 250 m die mit Brücken verbunden sind. Phantastisch geschmückt und die Geschäfte, zu ebener Erde nur italienische Geschäfte, das Feinste vom Feinen und vermutlich auch das Teuerste vom Teuren. Wir schlendern über die verschiedenen Ebenen und verschiedenen Blöcke und am Ende finden wir eine Toilette.
Die Basilius-Kathedrale, das sicher mit Recht das märchenhafteste Gebäude Russlands genannt wird, muss ich auch ein paar Worte sagen:
Sie geht auf Iwan den Schrecklichen zurück, der zum Gedenken an den Sieg über die Goldene Horde den Bau einer Kirche auf dem Schönen Platz befahl. Eingeweiht wurde sie 1559 und hieß erst Mariä-Schutz- und Fürbitt-Kathedale am Graben. Iwan der Schreckliche ließ den Baumeistern Barma und Postnik Jakovlev freie Hand unter der Auflage, die Kirche solle schön sein und Freude ausstrahlen.
Obwohl von außen verwirrend, ist der Grundriss der Basilius-Kathedrale recht einfach: Vier Kapellen bilden ein Kreuz, dessen Schnittstelle von einer fünften großen Kapelle eingenommen wird. So wurde uns auch der Bau der Holzkirche in Kishi erklärt. Vier weitere Kapellen besetzen die Zwischenräume dieses sternförmigen Gebildes. Die neuen Kirchen tragen jeweils einen eigenen Turm, so dass sich dem Betrachter von außen das verwirrende Bild von neun äußerst farbenprächtigen Kuppeln bietet, von denen keine der anderen gleicht. Der größte Turm in der Mitte endet in einer Zeltdachspitze mit einer kleinen Zwiebel obenauf.
Ihren Namen erhielt die Kirche durch Zar Fjodor Ivanovitsch, der 1588 eine zehnte Kapelle anbauen ließ, in der die sterblichen Überreste des Wanderpredigers Vasilij Blashennyj beigesetzt wurde. 1670 wurde an der südöstlichen Seite ein Glockenturm angebaut.
Um 18 Uhr war wieder Treffen am Bus angesagt und dieser schob sich durch den dichten Verkehr zum Moskauer Staatszirkus. Wir bekamen unsere Eintrittskarten und hatten noch etwas Zeit, auf dem gegenüberliegenden Plätzchen die diversen bronzenen Clownfiguren zu betrachten und zu fotografieren.
Der Ruf des russischen Zirkus basiert auf einer 200-jährigen Tradition, aber auch speziell auf 70 Jahre massiver Unterstützung durch den Staat während des kommunistischen Regimes. Katharina die Große lud den englischen Kunstreiter und Impressario Charles Hughes nach St. Petersburg, um eine Reitschule aufzubauen. Bald schon wurde der Zirkus eine Institution und brachte auch seine eigenen Familiendynastien hervor, wie zum Beispiel die Durovs, die Zapashnys, die Kios und die Kantemirovs, die ihre Geschicklichkeit und Kunststücke von einer Generation zur anderen weitergaben. Für die Gründungväter des Sowjet-Staates jedoch hatte der Zirkus noch eine weitaus größere Bedeutung und sie bewerteten ihn sogar noch höher als das Ballett und die Oper. Zirkus war populäre, egalitäre, von allen, gleich welcher Herkunft, Sprache, Alter, Bildung und Bevölkerungsschicht, geliebte Unterhaltung.
Wir waren sehr neugierig, da schon etwas Zirkus erfahren von Shanghai und München.
Die ersten 20 Minuten wurde eine viel zu lange Affenshow gezeigt, die sowieso nicht unseren Beifall findet, zudem war es äußerst ärgerlich, dass eine vor uns sitzende Spanierin ständig mit ihrem Handy Fotos machte, die auch gleich verschickte und SMS zurückerhielt. Das helle Display hatte ich vor der Nase. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass es untersagt wäre, zu fotografieren und es mich stört. Später beugte sie sich über das Handy.
Die Akrobaten waren atemberaubend und es würde mich nicht wundern, wenn man sie mal beim Zirkus-Festival Monte Carlo sehen würde.
Verwöhnt von den Tierdressuren beim Zirkus Krone, waren die Hundevorstellung und zum Abschluss die Tigerschau, allerdings mit 9 Tieren, etwas dürftig.
Um 22 Uhr waren wir auf dem Schiff zurück und erhielten ein spätes Abendessen. Den Ausklang bildete wieder die Panoramabar, um den Tag ausklingen und all das Gesehene Revue passieren zu lassen.