Mittwoch, 2. Juni 2004
Um 8.45 Uhr starteten wir mit dem Bus zu dem fakultativen Ausflug zum historischen Donauknie.
„Das Donauknie“
Bei einem Blick auf die Landkarte wird man das Donauknie leicht finden, obwohl es sich nicht um eine kartografisch korrekte Bezeichnung handelt. Ungefähr 29 km nördlich von Budapest scheint der Fluß die Konturen eines Knies nachzuzeichnen. Von Eztergom bis Szentendre windet sich der Strom in kleinen Bögen durch die waldreiche Landschaft von Pilis- und Börsöny-Gebirge, wobei er auf der Höhe von Vác scharf nach Süden abknickt. Manch einer bezeichnet die Gegend als „ungarische Wachau“, andere vergleichen ihre Reize mit dem Rheintal.“
Ein Überraschungsstop war im Örtchen Piliscsaba (pilischtschaba). Hier wurde vor einigen Jahren eine katholische Universität (Egyetma) von dem Architektes Macoviz nach der Philosophie von Rudolf Steiner errichtet. Schiefe Türme und runde Wände als Markenzeichen. Äußerst ungewöhnlich, jedoch sehr ansprechend.
Danach war Esztergom, die frühere Hauptstadt, angesagt.
Ein kurzer Stopp an der Donaubrücke die Ungarn und die Slovakei verbindet. Mitten auf der Brücke verläuft die Grenze und wir konnten mit einem Fuß in die Slovakei betreten.
Der Bus brachte uns hinauf auf den Burgberg. Hier ist die Stadtgeschichte zu Stein geworden. Anstelle des heutigen klassizistischen Monumentalbaus der Basilika stand die von Stephan I. 1010 gegründete romanische Domkirche, die im 16. Jahrhundert von den Türken schwer beschädigt wurde. Erst als der 1543 nach Ngyszombat geflohene Erzbischof 1820 zurückkehrte, wurde mit der Planung der heute größten Kirche Ungarns begonnen. Herr Alexander teilte uns mit, daß sie zu den 5 größten Kirchen der Welt gehöre. In Rom, London, Sevilla und an der Elfenbeinküste würden sich noch größere befinden. Kam uns sehr unwahrscheinlich vor, da sie auf uns nicht so riesig wirkte. Für die Einweihungsfeierlichkeiten der halb fertigen Kirche 1856 komponierte Ferenc Liszt die “Graner Festmesse“,
Den Portikus tragen auch 22 m hohe Säulen und 24 Säulen bilden den Blickfang der 107 m hohen Kuppel. Über dem Hauptaltar befindet sich das weltweit größte Altarbild (13 x 6,5 m) eine Kopie von Tizians „Mariä Himmelfahrt“ und zudem sind hier die 4 Kirchenväter: Ambrosius, Augustinum, Gregorius und Hironymus als Skulpturen dargestellt.
Die größte Kostbarkeit des mit Kunstmarmor verkleideten Inneren ist die Bákócz-Kapelle. Die 1506 aus rotem Marmor gearbeitete Grabkapelle gilt als herausragende Arbeit der Frührenaissance in Ungarn. Tamás Bakócz (1442-1521) war eine ebenso herausragende Persönlichkeit seiner Zeit. Von einfachem Stand schaffte er es bis zum Bischof. Die Kapelle wurde 1823 in 1600 Teile zerlegt, nummeriert und in der neuen Kirche wieder aufgebaut.
In der Krypta ist nunmehr – fast eine Pilgerstätte – das Grab des Kardinals Jozsef Mindszenty.
Er hatte sich gewünscht, in seiner Bischofsstadt begraben zu werden, wenn dort „der untreue Stern Moskaus nicht mehr glänzt“. Nach dem Umbruch im Ostblock 1989/90 widerfuhr im späte Gerechtigkeit: Der Schuldspruch von 1949 wurde als ungesetzlich aufgehoben und im Mai 1991 wurde er in der Krypta des Doms von Esztergom beigesetzt.
Unmittelbar neben der Basilika steht der nach archäologischen Ausgrabungen zugängliche Königspalast mit dem zum Millennium 2000 erweiterten Burgmuseum. Fürst Géza, Vater des späteren Stephan I, verlegte bereits um 973 seinen Sitz nach Esztergom. Die einst verschütteten Räume haben auch nach ihrer Restaurierung ihr geheimnisvolles Flair bewahrt.
Von der Burgterrasse hat man einen schönen Blick runter auf die Wasserstadt und das Donauknie.
Ein kurzer Rundgang durch Esztergom, dem Zentrum der ungarischen katholischen Kirche, Sitz des Erzbischofs, des höchsten Würdenträgers. König Stephan I. der Heilige wurde hier geboren, gekrönt und zu Grabe getragen. Er machte die Stadt zur ersten Königs- und Bischofsresidenz.
Hier wäre vielleicht etwas mehr Zeit zum Verweilen angebracht gewesen.
Aber um 12.15 Uhr wartete bereits ein leichtes Menü als Mittagessen auf uns: Gemüsesuppe, „Besoffener Mönch“ (eine Art Hefekloß mit Pflaumenmus gefüllt und mit Schnaps getränkt) mit viel Zimt bedeckt und auf einem raffiniert geschmückten Teller dargeboten: Messer und Gabel als Zimtnegativ, ein Getränk und Kaffee und mit 10 Euro pro Person waren wir dabei.
Weiter ging es zur Besichtigung von Hohe Burg = Visegrád. Aber am Fuße des176 m hohen Sibirik-Hügeles mußten wir erst einmal heftigste Gewitterschauer im Bus abwarten, die uns ein Aussteigen als nicht sehr sinnvoll erscheinen ließen. Danach, mit Regenschirmen bewaffnet, wanderten wir den Burgberg hinauf, blickten auf das im Regendunst liegende Donauknie hinab, stellten fest, daß keinerlei Schiffsverkehr dort unten stattfindet und wanderten dann durch die Burganlage aus dem 13. Jahrhundert, die mit ihrem ungleichmäßigen Grundriß aus drei Höfen besteht. Mit diesem System wollte man einen eventuell eingedrungenen Feind am Weiterkommen hindern. Für eine Verbindung zwischen den drei Höfen sorgten schmale Tore oder eine Zugbrücke. Einige Räume waren anschaulich gestaltet, um uns das Leben zur damaligen Zeit näherzubringen.
Von 15.30 Uhr bis 17 Uhr war in dem Städtchen Szentendre, dem „Südlichen Tor“ des Donauknies, mit seinen schmalen Gassen, zierlichen Barockhäusern, 11 Kirchen, 16 Museen, einer Insel und einem Freilichtmuseum, ein gemütlicher Rundgang angesagt. Dieses Örtchen zog um 1920 zahllose Künstler wegen seines morbiden Charms an. Die sich daraus entwickelnde Künstlerkolonie wurde in den 70er Jahren unter den Kommunisten fortgesetzt, die rund 50 Ateliers einrichten ließen, daher erklären sich auch die vielen Museen.
Vorbei an unzähligen Andenkenständen gelangte man vom Bus-Parkplatz in das hübsche Örtchen. In der Nähe der Pestsäule – 1763 stiftete die Gesellschaft der serbischen Kaufleute das griechisch-orthodoxe Gedenkkreuz, weil die Stadt von der Pestepidemie verschont blieb. Vor der Schließung huschten wir noch schnell in die 1752 – 54 von Andreas Mayerhoffer erbauten orthodoxen Blagovescenska-Kirche. Rot, Gold und Schwarz dominieren die prächtige Rokoko-Ikonostase von 1803. Danach gab Herr Alexander „Freigang“. Wir nutzten dies, um die in einem früheren Salzhaus aus dem 18. Jahrundert untergebrachten Keramikausstellungt der Margit-Kovács-Sammlung zu bewundern.
Die vor allem in Ungarn bekannte Margit Kovács (1902-77), Mitglied der Künstlerkolonie, hat auf sehr persönliche Weise versucht, moderne Formen mit ungarischer Volkskunst zu verschmelzen.
Manfreds Kommentar: „Das Beste was ich am heutigen Tag gesehen habe“.
Leider blieb keine Zeit mehr das Ferenczy-Museum zu besichtigen. Károly Ferenczy, dessen Werke wir bereits im National-Museum auf dem Budapester Burgberg besichtigt haben, war ja einer der bedeutendsten ungarischen Vertreter des Impressionismus, war Miglied der Pleinairschule von Nagbánya.
Pleinairmalerei: Beseelt von dem Wunsch, eine moderne ungarische Malerei zu kreieren, kehrte eine Gruppe von Malern von ihren Studien in München in die Heimat zurück und gründete 1896 die Künstlerkolonie von Nagybánya (heute Baia Mare, Rumänien.) Von den sich vorerst um eine naturnahe Sehweise bemühenden Künstlern ist der Impressionist Károly Ferenczy (1862-1917) einer der bekanntesten. Bereits in den 60er Jahren beschäftige sich Pál Szinyel Merse (1845-1920) auf eigenwillige Weise mit der Pleinairmalerei. Sein Hauptwerk „Frühstück im Freien“ (1872-1873) zählt zu den Spitzenleistungen der europäischen Kunst. Eine Brücke zwischen dem 19. Und 20. Jh. Bildet der zu den großen Talenten zählende Milhály Tivadar Csontváry Kosztka (1853-1919) mit seiner visionär-expressiven Malerei. Unter französischem Einfluß entwickelten sich die ersten Avantgardebewegungen, von denen die „Gruppe der Acht“ (1909), darunter Béla Czóbel, Robert Berény und Dezso Orbán, ihre Hinwendung zu einer konstruktivistischen und kubistischen Formensprache am deutlichsten formulierten. Aus dem Kreis der Aktivisten um Lajos Kassák gingen bedeutende Künstler bis Sándor Bortnyik hervor, der Lehrer von Victor Vasarély (1908-97), dem Begründer Op-Art. Nach dem Sturz der Räterepublik war dieser Kreis zur Emigration gezwungen. Mit einigen Künstlerkollegen schloss sich Lázlo Hoholy Nagy der Bauhausbewegung von Gropius in Dessau an.
Die Ankunft im Hotel war für 17.30 Uhr geplant. Die Organisation von dem Busfahrer Karl und Reiseleiter Alexander war sagenhaft. Punktgenau kamen wir an.
Ab 18.30 Uhr war Abendessen im Hotel angesagt, für mich gerade noch Zeit, 20 Minuten in der Therme zu „wässern“.
Das Kulturangebot für den Abend: „schwungvoller Operettenabend“ wurde nur – außer uns – von 4 weiteren Personen wahrgenommen.
Na ja!