Sonntag, 6. Juni 2004
Heute hatten wir wirklich Muße. Der Tag fing für mich mit einem ausgiebigen Besuch der Therme an, auch die Infrarot-Sauna habe ich genutzt. Geruhsames Frühstück und dann machten wir uns um 10 Uhr auf, um das in Óbuda gelegene Vasarely-Museum zu besuchen.
Erst waren wir die einzigen Besucher. Vasarely haben wir bewußt zum ersten Mal in Colmar, im Museum Unter den Linden, bestaunt. Etwas seltenes geschah: Manfred und ich gingen gemeinsam durch das großzügige, schön gestaltete Museum. Wunderschöne Werke, auch Gobelins, begeisterten uns. Beiden gefiel uns „Bi-Octans“ von 1979 außerordentlich gut, nur leider war keine Kunstpostkarte verfügbar.
Victor Vasarely, geboren am 9.4.1908 in Pécs (Fünfkirchen), der in Frankreich lebende weltberühmte Maler ungarischer Herkunft faßt 1981 den Entschluß, seinem Heimatland Ungarn und deren Hauptstadt Budapest eine bedeutende und „unveräußerliche Gabe“ zukommen zu lassen. Die Tatsache der Schenkung hielt er in seinem Donationsschreiben vom 24.9.1981 fest und „vermachte“ ca. 400 Werke. In der Schenkungsurkunde ist als endgültiger Standort der Exponate bereits das Schloß Zichy genannt. Am 8. Mai 1987 eröffnet das Vasarely-Museum in einem der schönsten Ausstellungsräumen der Hauptstadt, in dem vom Künstler gewünschten Gebäude.
Vasarely war geprägt von den Ideen des Bauhauses und – oh staune – zu seinen Lieblingsthemen gehörten, zumindest in der Zeit um 1930, Zebras. (meine absoluten Lieblingstiere)
Nach dem Kauf eines Katalogs und eines Zebradrucks machten wir uns auf die Suche nach dem Imre Varga Museum. Es stellte sich heraus, daß es unter „Galerie“ lief und kaum hatten wir mit dem Betrachten der Skulpturen angefangen, gesellte sich uns ein großer, künstlerisch aussehender Herr zu und examinierte uns, was wir denn so denken, was der Künstler hier ausdrücken wollte.
Er war mit unseren – in englisch gegebenen – Ausführungen zufrieden und erläuterte uns dann, wen und was die jeweilige Skulptur versinnbildlichen sollte. Es stellte sich heraus, daß wir Imre Varga nur um ½ Stunde verpaßt hatten und daß unser Begleiter ein Photograf ist, der die Kataloge der Galerie gestaltet.
Zur Person von Imre Varga läßt sich sagen, er wurde am 1. November 1923 in Siófok geboren.
Bereits in seinem 13. Lebensjahr wurden Zeichnungen von ihm in einer Gemeinschaftsstellung in Paris gezeigt. Nach dem Studium der Aeronautik, das er an der Militär-Hochschule mit dem Diplom abschloß, diente er im II. Weltkrieg als Luftwaffenoffizier in Ungarn, Deutschland und Italien, Er geriet in amerikanische Gefangenschaft und kehrte 1945 nach Ungarn zurück.
1949 fand er in einer Budapester Fabrik Arbeit. Der Zufall führte ihn mit dem Bildhauer Pál Pátzay zusammen, der ein Jahr später seine Aufnahme in die Kunstakademie durchsetzte. 1956 erwarb er das Diplom. Viele Preise wurden ihm verliehen und seine Werke sind in zahlreichen ungarischen Städten, aber auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Jemen, den Niederlanden, Norwegen und in den Vereinigten Staaten von Amerika zu finden.
Es heißt, seine Werke sprechen für sich. Sie bedürfen keiner Erklärung, keiner Interpretation. Ihre Sprache ist so unmittelbar, ihre Botschaft so evident, daß ein sensibler Mensch sie verstehen muß. Trotzdem war das Hintergrundwissen des uns begleitenden Photografen hilfreich, da einige geistreichen Feinheiten, ironischen Anspielungen, tragische Zusammenhänge uns sich sonst nicht erschlossen hätten, da wir nur sehr wenig über das gesellschaftliche und persönliche Umfeld wissen, in dem die Werke entstanden sind und auf das sie sich beziehen.
So wir haben noch viel Zeit. Ein Spaziergang über die Arpadbrücke zur Margareteninsel, die sich zwischen dieser Brücke im Norden und der Margaretenbrücke im Süden auf einer Länge von ca. 2,5 km und einer Breite von 500 m erstreckt. Sie ist wohl die „grüne Lunge“ von Budapest und wir bestaunen bei strahlendem Sonnenschein die alten Bäume und das Leben und Treiben der Budapester. Wandern fast bis zum Ende und entscheiden uns, mit dem öffentlichen Bus, der sogar hier verkehrt – unsere Wochenkarte ist noch gültig – zurückzufahren bis zur Arpadbrücke um dann in dem Lokal von gestern abend zum Abschied nochmals ungarisches Gulasch zu essen. Ca. 100 m vor dem Hotel geht ein heftiger Gewitterschauer nieder und wir laufen, um im Hotel unsere Regenschirme abzuholen.
Gemütlich sitzen wir bei scharfem Gulasch und Bier in dem Restaurant bis 14.30 Uhr, um dann zum Hotel zurückzuspazieren. Wir werden – wiederum pünktlich – um 15.00 Uhr abgeholt und in einer halbstündigen Fahrt zum Flughafen gebracht.
Um 18.45 Uhr geht unsere Maschine, sind um 19.30 Uhr bereits im Frankfurter Flughafen mit unserem Koffer in der Hand und bekommen um 20.09 Uhr den ICE nach Siegburg. Taxi für 21 Euro und um 21 Uhr sind wir wohl behalten und vollgepackt mit Eindrücken wieder zu Hause.
Damit hat sich für mich ein lange gehegter Wunsch: Budapest und etwas „drumherum“ von Ungarn zu sehen, reichlich erfüllt.
Immer wieder erwähnte, zitierte unser Reiseleiter Alexander Matyas den Dichter Petöfi, der, wäre die ungarische Sprache nicht so schwierig und wenig verbreitet, sicher unserem Dichterfürsten Goethe das Wasser reichen könnte.
Er hat 1823 als Sohn des Slowaken Petrovics und der Maria Kruz das Licht der Welt erblickt. Nach seinen ersten dichterischen Erfolgen legte der Sohn sich den ungarischen Künstlernamen Petöfi zu und engagierte sich für die Idee der nationalen Befreiung Ungarns.
So will ich zum Schluß wenigstens ein paar Zeilen von ihm zitieren:
„Freiheit und Liebe
sind all mein Streben!
Für meine Liebe könnt‘ ich das
Leben, doch für die Freiheit
die Liebe selbst geben.“
Die Ungarn setzten dem im Freiheitskampf gefallenen Dichter ein Standbild in der Nähe des Március tér.