4. Tag Kom Ombo Bedingt durch den Motorschaden konnte gestern auf unserer Reiseroute die Insel Menehe nicht erreichen werden. Dadurch haben wir heute eine etwas längere Anfahrt bis Kom Ombo; jedoch auch das klappt, so dass wir dort schon um 8.30 Uhr an der Promenade anlegen. Keine Spur von den großen Fluss-Kreuzfahrtschiffen. Sonntägliche Ruhe, der Freitag ist der Sonntag der Moslem. Die Geschäfte entlang der Promenade sind noch geschlossen. Wir spazieren im Sonnenschein das kurze Stück bis zum Doppeltempel, der in einer Nilschleife auf einem Hügel direkt am Ufer des Flusses liegt. Dieser Hügel gab auch den Namen: Kom Ombo bedeutet der Hügel, wie Ahmed ausführt. Hier wurde ein schönes Heiligtum erbaut. Es hatte zwei Besonderheiten: Zum einen konnte durch die Lage der Anlage der Nil von den Priestern kontrolliert werden und durch die dahinterliegende Festung konnte die Grenze nach Norden hin gesichert werden. Die zweite Besonderheit ist, dass dieser Tempel für zwei Gottheiten erbaut wurde. Es ist die einzige Tempelanlage im Land, der zwei Gottheiten geweiht wurde. Die rechte Seite ist dem krokodilgestaltigen Sobek, (die Ägypter hatten Angst vor Krokodilen, die es hier zahlreich gab. Um diese zu besänftigen und zu ehren, wurden ihnen Opfergaben dargebracht). Und die linke Seite dem falkenköpfigen Haroeris, Horus dem Älteren, Vertreter Gottes auf Erden, gewidmet. Die Erbauung geht auf die griechische und römische Zeit zurück. Ptolemäos VI. begann den Bau und Kaiser Domitian beendete ihn. Ca. 400 Jahre Bauzeit wurden hierfür beansprucht. Auch dieser Tempel war völlig von Schutt bedeckt und wurde 1843 ausgegraben. Man beließ den Zustand wie er vorgefunden wurde; es wurde nichts rekonstruiert. Bedingt durch seine Nähe zum Nil wurde er jedes Jahr 3 Monate vom Nil überspült. Dadurch ist der Eingangsbereich des Tempels zerstört, der linke Turm des 1. Pylons versank im Fluss. Nach Betreten des Tempelvorhofes, können wir jedoch die Pylonreste der rechten Seite sehen, die das Relief des Krokodilgottes Sobek zeigt und wir sehen die große Liste der Hymnen die Ptolemäus der XII. dem Gott Sobek darbringt. Der Vorhof des Tempels war ebenso wie in Edfu mit Säulen umgeben, jedoch sind hier nur noch Stümpfe vorhanden aber es sind noch Farbreste auszumachen. Der Fuß-boden ist original. Ahmed führt weiter aus: „Das Volk kam 1 oder 2 mal im Jahr, um Opfergaben darzubringen. Auf dem Altar des Vorhofes durften sie die Gaben ablegen, ein weiterer Zutritt zum Tempel war ihnen nicht gestattet. Lediglich der König und die Priester durften die inneren Räume betreten.“ Ahmed macht uns auf das Relief aufmerksam, das Ptolemäos XII. zeigt, der sich in Gegenwart der beiden Hauptgötter der rituellen Reinigung unterzieht. Durch die Kartuschen konnte festgestellt werden, um welchen Herrscher es sich handelte.“ Wir schreiten weiter in den besterhaltenen Teil des Tempels, in den Säulensaal. An der Decke zeigt uns Ahmed eine Barke auf der der Sonnengott Re als Scheibe dargestellt ist und von vielen Gottheiten angebetet wird. Er macht uns auf die Gestaltung der Reliefs aufmerksam, von der Kunstkritiker sagen, dass diese nicht mehr mit dieser Feinheit ausgebildet wurden wie es an den Tempelanlagen des Alten- und Mittleren-Reichs zu sehen ist. Zum Beispiel sind die Schultern zu breit und die Arme zu gerade, alles ist grober gestaltet und nicht so fein zisiliert . Ahmed macht uns auf eine weitere, sehr schöne Szene aufmerksam: Ptolemäos VI. wird von den zwei Göttinnen Ober- und Unterägyptens gekrönt. Hinter ihm steht der Krokodilgott und Isis mit dem Lebenszeichen. Ebenfalls sehr wichtig ist die Szene der Grundsteinlegung des Tempels wie wir es auch in Edfu gesehen haben. Und erwähnt werden sollte noch das Relief, das Ptolemäos VIII. und zwei Frauen, Kleopatra, seine Frau und Kleopatra, seine Tochter oder Schwester, zeigt, wie sie sich Haroeris nähern und dieser dem König das Sichelschwert und das Lebenszeichen darreicht. (Die beiden Kleopatras haben nichts mit der berühmten Kleopatra der VII. zu tun.) Zwischendurch gab es immer wieder eine Auflockerung: Das mit uns reisende Ehepaar war ja schon zweimal an diesen Orten und im Vorfeld konnten sie sich an bestimmte Szenen nicht mehr erinnern. Wenn wir jedoch davor standen erklang es: „Ach ja!“ Die Erinnerung war wieder da, was dann jedes Mal Gelächter auslöste. Und noch etwas: Wir hören viel Vogelgezwitscher und sonst keine weiteren Laute, denn wir sind, bis auf die Museumswächter und ein paar Reinigungsleute, mutterseelen alleine in der großen Tempelanlage. Ahmed hat so etwas auch noch nicht erlebt. Wir verlassen den Säulenhof und gelangen in zwei weitere Säle. Eine Besonderheit der griechisch-römischen Zeit war ein Kalender, in dem verzeichnet war an welchem Tag und was das Volk als Opfergaben darzubringen hatte. Die Ägypter kannten drei Jahreszeiten, ein Monat hatte 30 Tage, 1 Woche hatte 10 Tage, so dass der Monat aus 3 Wochen bestand. Wir erreichen das Allerheiligste und stehen vor einem großen Granitstein, der als Sockel der Barke diente auf der sich der Schrein für die beiden Gottheiten einmal befand. Davor sehen wir eine Öffnung, aus dieser erschallte früher dann das von den Priestern gesprochene Orakel und das arme Volk hatte dies zu glauben. Links und rechts vom Allerheiligsten gab es noch kleine Räume, die den Priestern zur Waschung dienten und zum Aufbewahren ihrer „Klamotten“, wie Ahmed meint. Ahmed ist begeistert! Er kann diesen Granitstein berühren. Er meint, bisher ist es ihm durch die sonst darumstehenden Menschentrauben nicht vergönnt gewesen, so weit vorzudringen. Wir können unser Glück selbst kaum fassen, keine Touristengruppen. Wir sind Alleinherrscher! – Wir gehen links am Allerheiligsten vorbei und Ahmed denkt mit Schaudern zurück, dass er hier bei seiner letzten Führung als Gruppe Nr. 9 abends um 18 Uhr eine halbe Stunde warten musste, um den Gang zu passieren. „So leer, so leer“, meint unsere Begleiterin und mein lieber Mann meint zu Ahmed, da könne er mal sehen, was wir ihm bieten. Im Umgang des Allerheiligsten befinden sich noch bemerkenswerte Reliefs: Kaiser Trajan gab um 100 n. Chr. den Auftrag für dieses Relief: Er bringt dem Medizingott Imhotep (er war der Erbauer der 1. Pyramide unter Djoser und später wurde er als Gottheit verehrt) medizinische Instrumente dar. Schröpfköpfe, Messer, Zangen, Skalpelle, Sägen, Säckchen mit Arzneien und eine kleine Apothekerwaage werden in der geschriebenen Liste minutiös aufgezählt. Schutzamulette, das Auge des Horus und einen Gebärstuhl können wir ausmachen und Ahmed erklärt uns noch was es mit den Reagenzgläsern auf sich hat: „Darin wurde der Urin einer schwangeren Frau gegeben. Man gab Weizen dazu, ging dieser auf, wurde es ein Sohn. Gab man Gerste dazu und diese ging auf, dann wurde es eine Tochter.“
Die zweite Besonderheit: Direkt an der Rückwand des Allerheiligsten sehen wir die Göttin Maat, sie verkörpert die Gerechtigkeit und die Weltordnung. Sie ist zu erkennen an einer Feder auf dem Kopf. Gegen diese Feder wurde das Herz des Verstorbenen aufgewogen. Sie ist von den Symbolen der vier Winde umgeben, und den Symbolen der 4 Evangelisten: Löwe, Stier, Adler und Mensch (leider zerstört). Ahmed wartet vergeblich auf das „Ach ja“!“, aber diese Besonderheit wurde unseren Mitreisenden bei den vorangegangenen Führungen nicht gezeigt. Bei unserem Rundgang sehen wir noch an der Außenwand den König, wie er sich als Feldherr darstellen lässt und die Gefangenen an den Haaren packt und wie der ihm nebengestellte Löwe in die Hand eines Gefangenen beißt. In dem Gefangenenzug sind gefesselte Asiaten, Lybier und Nubier in dem Relief dargestellt . In einem kleinen Nebengebäude, das von Domitian als Hathorkapelle gestiftet wurde, können wir Mumien der „heiligen“ Krokodile bestaunen, die als heilige Tiere des Sobek beim Tempel gehalten und nach ihrem Tod für die Ewigkeit präpariert wurden. Weiter gehen wir zum Nilometer. Wir sehen einen tiefen Brunnen, der mit dem Nil verbunden war. Bei der jährlichen Nilschüberschwemmung stieg das Wasser. Über eine Treppe konnte man hinabgeben und an einer Skale den Wasserstand ab-lesen. Danach wurden die Steuern berechnet, die das Volk abgeben musste. Daneben sehen wir einen kleinen Brunnen, darin wuschen sich die Priester und dahinter gab es ein kleines Becken, in dem Krokodile gehalten wurden. Und immer noch sind wir alleine und machen noch einmal einen Fotorundgang ohne Erklärungen und als wir uns auf den Rückweg zum Schiff machen, kommt die erste kleine Touristengruppe. Inzwischen ist es 10.30 Uhr und die Läden an der Promenade sind immer noch geschlossen, also dauert es noch bis die Karawane der Fluss-Kreuzfahrtschiffe ankommt. An Bord angekommen heißt es sofort wieder „Leinen los“ und wir gleiten auf dem Nil dahin. Haben vom Schiff aus noch einen schönen Blick auf den erhöhten Doppeltempel und widmen uns wieder dem Schauen, Staunen und Entspannen.
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