Artikel getaggt mit Horus

Ägypten – Mittwoch, 21. Januar 2009

2. Tag

Enstehungsgeschichte

Mit den vorangegangenen Erläuterungen zum Nil und zur Geschichte lässt es Ahmed noch nicht genug sein. Wir sind ein interessiertes und williges Publikum, also führt er zur Entstehungsgeschichte der Welt aus:

„Wie ist die Welt entstanden?  Die Ägypter hatten viel Phantasie.
Zuerst war das unendlich stille Urwasser, die Ursuppe.
Es gab keinen Tag, keine  Nacht, kein rechts, kein links.
Aus dem Urwasser entstand der Urhügel.
Einige sagen, dass er im Heiligen See im Karnak-Tempel entstand, auf dem sich die gesamte Schöpfung aufbaut. Dann kommt der Vogel und bringt ein Ei. Daraus entsteht Ptah, der Urgott von Memphis. Ptah hat in seinem Herzen alles ersonnen und erdacht. Dann kam Himmel und Erde, Luft und Feuchtigkeit, Tiere, Pflanzen, Gestirne, oben und unten.
Es kam dann Nut , die Himmelgöttin. Nach der Schöpfungslehre von Heliopolis ist sie die Gemahlin des Geb und Mutter von Osiris, Isis, Nephthys und Seth. Sie verkörpert den täglichen Sonnenverlauf, indem sie morgens die Sonne gebiert und abends – nach 12 Stunden –  wieder verschlingt. Dargestellt wird sie als Frau, deren Körper mit Sternen bedeckt ist. Sie berührt immer den Boden mit Händen und Füßen und stellt so den Himmel dar. Weiterhin galt sie als Mutter des Sonnengottes Re, da sie ihn jeden Abend in sich aufnahm um ihn am nächsten Morgen wieder zu gebären. So entsteht Tag und Nacht.
Osiris regierte Jahrmillionen die Erde, er wurde von den Menschen als Erfinder der Landwirtschaft hoch verehrt, das Volk war glücklich.
Jedoch sein Bruder Seth war eifersüchtig.

Nachdem es Seth auf friedlichem Wege nicht gelingt, Alleinherrscher über das Niltal zu werden, greift er zu dramatischen Mitteln. Anlässlich eines Götterbanketts verleitet er Osiris, sich in einen Sarg zu legen. Kaum war der Rivale im Sarg, schloss sich auch schon der Deckel über ihm und Seths Gehilfen versenken ihn kurzerhand im Nil. Zwar gelingt es Isis, ihren ertrunkenen Brudergemahl aufzuspüren und wieder zu beleben, doch weckt dies noch mehr den Zorn des gewalttätigen Seths. Diesmal muss sein Plan gelingen. Er läßt Osiris in 12 Teile zerstückeln und diese in Ober- und Unterägypten verteilen. Wieder ist es  Isis, die mit Hilfe ihrer Schwester  Nephthys die Einzelteile des grausam Ermordeten zusammenträgt. Doch ohne den Schakalgott Anubis wäre eine Rettung nicht möglich gewesen. Er fügt die göttlichen Gliedmaßen aneinander und umwickelt sie mit meterlangen, harzgetränkten Leinenbinden. Ein zweites Mal kehrt Osiris ins Leben zurück. Mit wiedererlangter Männlichkeit – wobei ein entscheidendes Körperteil notdürfig aus Nilschlamm nachgeformt werden muss, reicht Osiris an Isis das Lebenszeichen. Isis wird schwanger und schenkt  Horus das Leben. Wir haben die erste unbefleckte Empfängnis.
Horus ist der letzte der Götter, der auf Erden herrscht. Er muss gegen seinen Onkel Seth, der als der „Böse“ angesehen wird und als Nilpferd oder Schwein dargestellt wird, kämpfen und schließlich gelingt es ihm, nachdem ihn Seth jahrelang verfolgt hatte, seinen Vater zu rächen und als rechtmäßiger Nachfolger die Herrschaft in Ägypten zu übernehmen.
Osiris selbst allerdings zieht sich nach dem zweiten Mordanschlag zurück, um als oberster Richter beim Totengericht darüber zu wachen, dass solchen Übeltätern wie Seth der Einzug in das ewige Leben verweigert werde. Die Menschen müssen vor ihm Rechenschaft über ihr Leben ablegen.

Die Götter haben genug von der Erde und ziehen sich zurück. Ihre  Vertretung übertragen sie an die Könige, bzw. die Pharaonen.“

Erinnert uns das nicht ganz stark an das Christenum, Genesis im Alten Testament und das Neue Testament?

Soweit die Ausführungen unseres Reiseleiters und uns brummt der Kopf.
Noch ein bisschen die langsam vorbeiziehende Landschaft und das Lebenp1020960 der Bevölkerung betrachten, dann ist schon wieder Mittagessen an Deck angesagt.
Der Koch ist bemüht, uns gute ägyptische Küche zu präsentieren. Leider greifen wir beim Salat nicht zu – aus Angst vor der Rache der Pharaonen  – und werden von unseren Mitreisenden liebevoll, ironisch auf den Arm genommen. Macht nichts, wir möchten auf keinen Fall einen Tag auf der Toilette zubringen und womöglich etwas von den wundervollen Tagen vermissen.

Das Reiseunternehmen Phoenix arbeitet in Ägypten mit der Agentur Memnon zusammen und wir können jetzt, am 2. Tag, schon sagen, die Organisation klappt bestens.

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Ägypten – Freitag, 23. Januar 2009

4. Tag Kom Ombo Bedingt durch den Motorschaden konnte gestern auf unserer Reiseroute die Insel Menehe nicht erreichen werden. Dadurch haben wir heute eine etwas längere Anfahrt bis Kom Ombo; jedoch auch das klappt, so dass wirtag04_0050 dort schon um 8.30 Uhr an der Promenade anlegen. Keine Spur von den großen Fluss-Kreuzfahrtschiffen. Sonntägliche Ruhe, der Freitag ist der Sonntag der Moslem. Die Geschäfte entlang der Promenade sind noch tag04_0060geschlossen. Wir spazieren im Sonnenschein das kurze Stück bis zum Doppeltempel, der in einer Nilschleife auf einem Hügel direkt am Ufer des Flusses liegt. Dieser Hügel gab auch den Namen: Kom Ombo bedeutet der Hügel, wie Ahmed ausführt. Hier wurde ein schönes Heiligtum erbaut. Es hatte zwei Besonderheiten: Zum einen konnte durch die Lage der Anlage der Nil von den Priestern kontrolliert werden und durch die dahinterliegende Festung konnte die Grenze nach Norden hin gesichert werden. Die zweite Besonderheit ist, dass dieser Tempel für zwei Gottheiten erbaut wurde. Es ist die einzige Tempelanlage im Land, der zwei Gottheiten geweiht wurde. Die rechte Seite ist dem krokodilgestaltigen  Sobek, (die Ägypter hatten Angst vor Krokodilen, die es hier zahlreich gab. Um diese zu besänftigen und zu ehren, wurden ihnen Opfergaben dargebracht). Und die linke Seite dem falkenköpfigen Haroeris, Horus dem Älteren, Vertreter Gottes auf Erden, gewidmet. Die  Erbauung geht auf die griechische und römische Zeit  zurück. Ptolemäos VI. begann den Bau und Kaiser Domitian beendete ihn. Ca. 400 Jahre Bauzeit wurden hierfür beansprucht. Auch dieser Tempel war völlig von Schutt bedeckt und wurde 1843 ausgegraben.  Man beließ den Zustand wie er vorgefunden wurde; es wurde nichts rekonstruiert. Bedingt durch seine Nähe zum Nil wurde er jedes Jahr 3 Monate vom Nil tag04_0080überspült. Dadurch ist der Eingangsbereich des Tempels zerstört, der linke Turm des 1. Pylons versank im Fluss. Nach Betreten des Tempelvorhofes, können wir jedoch die Pylonreste der rechten Seite sehen, die das Relief des Krokodilgottes Sobek zeigt und wir sehen die große Liste der Hymnen die Ptolemäus der XII. dem Gott Sobek darbringt.tag04_0360 Der Vorhof des Tempels war ebenso wie in Edfu mit Säulen umgeben,  jedoch sind hier nur noch tag04_0090Stümpfe vorhanden aber es sind noch Farbreste auszumachen. Der Fuß-boden ist original. Ahmed führt weiter aus: „Das Volk kam  1 oder 2 mal im Jahr,  um Opfergaben darzubringen. Auf dem Altar des Vorhofes durften sie die Gaben ablegen, ein weiterer Zutritt zum Tempel war ihnen nicht gestattet.tag04_0100 Lediglich der König und die Priester durften die inneren Räume betreten.“ Ahmed macht uns auf das Relief aufmerksam, das tag04_0410aPtolemäos XII.  zeigt, der sich in Gegenwart der beiden Hauptgötter der rituellen Reinigung unterzieht. Durch die Kartuschen konnte festgestellt werden, um welchen Herrscher es sich handelte.“ Wir schreiten weiter in den besterhaltenen Teil des Tempels, in den Säulensaal. An der Decke zeigt uns Ahmed eine Barke auf der der Sonnengott Re als Scheibe dargestellt ist und von vielen  Gottheiten angebetet wird. Er macht uns auf die Gestaltung der Reliefs aufmerksam, von dertag04_0200 Kunstkritiker sagen, dass diese nicht mehr mit dieser Feinheit ausgebildet wurden wie es an den Tempelanlagen des Alten- und Mittleren-Reichs  zu sehen ist. Zum Beispiel sind die Schultern zu breit und die Arme zu gerade, alles ist grober gestaltet und nicht so fein zisiliert . Ahmed macht uns auf eine weitere, sehr schöne Szene aufmerksam: Ptolemäos VI. wird von den zwei Göttinnen tag04_0220Ober- und Unterägyptens gekrönt. Hinter ihm steht der Krokodilgott und Isis mit dem Lebenszeichen. Ebenfalls sehr wichtig ist die Szene der Grundsteinlegung des Tempels wie wir es auch in Edfu gesehen haben. Und erwähnt werden sollte noch das Relief, das Ptolemäos VIII. und  zwei Frauen, Kleopatra, seine Frau und Kleopatra, seine Tochter oder Schwester, zeigt, wie sie sich Haroeris nähern undtag04_0460 dieser dem König das Sichelschwert und das Lebenszeichen darreicht. (Die beiden Kleopatras haben nichts mit der berühmten Kleopatra der VII. zu tun.) Zwischendurch gab es immer tag04_0230wieder eine Auflockerung: Das mit uns reisende Ehepaar war ja schon zweimal an diesen Orten und im Vorfeld konnten sie sich an bestimmte Szenen nicht mehr erinnern. Wenn wir jedoch davor standen erklang es: „Ach ja!“ Die Erinnerung war wieder da, was dann jedes Mal Gelächter auslöste. Und noch etwas: Wir hören viel Vogelgezwitscher und sonst keine weiteren Laute, denn wir sind, bis auf die Museumswächter und ein paar Reinigungsleute, mutterseelen alleine in der großen Tempelanlage. Ahmed hat so etwas auch noch nicht erlebt. Wir verlassen den Säulenhof und gelangen in zwei weitere Säle. Eine Besonderheit der griechisch-römischen Zeit war ein Kalender, in dem verzeichnet war an welchem Tag und was das Volk als Opfergaben darzubringen hatte. Die Ägypter kannten drei Jahreszeiten, ein Monat hatte 30 Tage, 1 Woche hatte 10 Tage, so dass der Monat aus 3 Wochen bestand. Wir erreichen das Allerheiligste und stehen vor einem großen Granitstein, der als Sockel der Barke diente auf der sich der Schrein für die beiden Gottheiten einmal befand. Davor sehen wir eine Öffnung, aus dieser erschallte früher dann das von den Priestern gesprochene Orakel und das arme Volk hatte dies zu glauben. Links und rechts vom Allerheiligsten gab es noch kleine Räume, die den Priestern zur Waschung dienten und zum Aufbewahren ihrer „Klamotten“, wie Ahmed meint. tag04_0180Ahmed ist begeistert! Er kann diesen Granitstein berühren. Er meint,  bisher ist es ihm durch die sonst darumstehenden Menschentrauben nicht vergönnt gewesen, so weit vorzudringen. Wir können unser Glück selbst kaum fassen, keine Touristengruppen. Wir sind Alleinherrscher! – Wir gehen links am Allerheiligsten vorbei und Ahmed denkt mit Schaudern zurück, dass er hier bei seiner letzten Führung als Gruppe Nr. 9 abends um 18 Uhr eine halbe Stunde warten musste, um den Gang zu passieren. „So leer, so leer“, meint unsere Begleiterin und mein lieber Mann meint zu Ahmed, da könne er mal sehen, was wir ihm bieten. Im Umgang des Allerheiligsten befinden sich noch bemerkenswerte Reliefs: Kaiser Trajan gab um 100 n.tag04_0260 Chr. den Auftrag für dieses Relief: Er bringt dem  Medizingott Imhotep (er war der Erbauer der 1. Pyramide unter Djoser und  später wurde er als Gottheit verehrt) medizinische Instrumente dar. Schröpfköpfe, Messer, Zangen, Skalpelle, Sägen,  Säckchen mit Arzneien und eine kleine Apothekerwaage werden in der geschriebenen Liste minutiös aufgezählt. Schutzamulette, das Auge des Horus und einen Gebärstuhl können wir ausmachen und Ahmed erklärt uns noch was es mit den Reagenzgläsern auf sich hat: „Darin wurde der Urin einer schwangeren Frau gegeben. Man gab Weizen dazu, ging dieser auf, wurde es ein Sohn. Gab man Gerste dazu und diese ging auf, dann wurde es eine Tochter.“

Die zweite Besonderheit: Direkt an der Rückwand des Allerheiligsten sehen wir die Göttin Maat, sie verkörpert die Gerechtigkeit und die Weltordnung. Sie ist zu erkennen an einer Feder auf dem Kopf. Gegen diese Feder wurde das Herz des Verstorbenen aufgewogen. Sie ist vontag04_0300 den Symbolen der vier Winde umgeben, und den Symbolen der 4 Evangelisten: Löwe, Stier, Adler und Mensch (leider zerstört). Ahmed wartet vergeblich auf das „Ach ja“!“, aber diese Besonderheit wurde unseren Mitreisenden bei den vorangegangenen Führungen nicht gezeigt. Bei unserem Rundgang sehen wir noch an der tag04_0310Außenwand den König, wie er sich als Feldherr darstellen lässt und die Gefangenen an den Haaren packt und wie der ihm nebengestellte Löwe in die Hand eines Gefangenen beißt. In dem Gefangenenzug sind gefesselte Asiaten, Lybier und Nubier in dem Relief dargestellt . In einem kleinen tag04_0340Nebengebäude, das von Domitian als Hathorkapelle gestiftet wurde,  können wir Mumien der „heiligen“ Krokodile bestaunen, die als heilige Tiere des Sobek beim Tempel gehalten und nach ihrem Tod für die tag04_0380Ewigkeit präpariert wurden. Weiter gehen wir zum Nilometer. Wir sehen einen tiefen Brunnen, der mit dem tag04_0390Nil verbunden war. Bei der jährlichen Nilschüberschwemmung stieg das Wasser. Über eine Treppe konnte man hinabgeben und an einer Skale den Wasserstand ab-lesen. Danach wurden die Steuern berechnet, die das Volk abgeben musste. Daneben sehen wir einen kleinen Brunnen, darin wuschen sich die Priester und dahinter gab es ein kleines Becken, in dem Krokodile gehalten wurden. Und immer noch sind wir alleine und machen noch einmal einen Fotorundgang ohne Erklärungen und als wir uns auf den Rückweg zum Schiff machen, kommt die erste kleine Touristengruppe. Inzwischen ist es 10.30 Uhr und die Läden an der Promenade sind immer noch geschlossen, also dauert es tag04_0570noch bis die Karawane der Fluss-Kreuzfahrtschiffe ankommt. An Bord angekommen heißt es sofort wieder „Leinen los“ und wir gleiten auf dem Nil dahin. Haben vom Schiff aus noch einen schönen Blick auf den erhöhten Doppeltempel und widmen uns wieder dem Schauen, Staunen und Entspannen.

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