6. Tag
Abu Simbel
Wie gut, dass wir gestern Abend früh ins Bett gingen, denn heute in der Frühe klingelt um 2.40 Uhr (zwei Uhr vierzig) der Wecker.
Im Licht der Taschenlampe waschen, anziehen, die gepackte Tasche schnappen und in den Salon zum angesagt kleinen Frühstück nur für uns zwei: Kaffee und Kuchen. Und: Alé, der Manager hat doch tatsächlich für uns den für das Licht zuständigen Generator angeworfen und überreicht uns für ein zweites Frühstück zwei liebevoll verschnürte Lunchpakete. Auch Ahmed ist aufgestanden, um unseren Transfer sicherzustellen.
Das bereits gestern Abend angekommene Motorboot erwartet uns. Der Bootsfahrer nächtigte hier, denn nachts dürfen in Assuan keine Motorboote fahren . Wir ankern ja 9 km vor Assuan daher ist es hier kein Problem uns schon um 3.30 Uhr über den Nil überzusetzen.
Die Prozedur kennen wir schon: 10 Minuten Bootsfahrt, den Abhang hinauf und oben werden wir schon wieder von einem Pkw erwartet der uns zur Phoenix-Schiffanlagestelle bringt. Hier steigen wir als Erste in den Bus Nr. 13 ein und um 4 Uhr ist Abfahrt zur Konvoi-Sammelstelle.
Heute ist es mit unserer kleinen Runde vorbei, denn das uns mit uns reisende Ehepaar war schon in Abu Simbel, so dass wir mit dem großen Konvoi – heute 30 große und kleine Busse, in der Hauptreisezeit bis zu 80 – fahren müssen.
Die Fahrt geht durch die Wüste, den ersten Teil dösen wir vor uns hin, um später nur Sand, Sand, Sand zu sehen und den Ausführungen des Reiseleiters Mohamed zuzuhören.
Er führt aus, dass 1813 ein Schweizer, Johann Ludwig Burckhart, auf einer Feluke, auf der Suche nach der Quelle des Nils, die im Sand verschüttete Anlage entdeckte.
Freigelegt wurde sie schließlich 1817 von Giovanni Battista Belzoni.
Durch die Anstauung des Nils durch den Assuan-Staudamm erlitt Abu Simbel das Schicksal wie – um nur ein Beispiel zu nennen – der Isis-Tempel auf Philae, er versank in den Fluten des Nassersees.
Auch hier gab es die verschiedensten Überlegungen, wie er gerettet werden könnte. Eine davon, ihn zur Unterwasserbesichtigung unter Glas zu legen.
Man entschied sich jedoch auch hier, den Tempel und die Skulpturen in tausende Stücke zu zersägen und an anderer Stelle neu erstehen zu lassen.
Ein Konsortium aus schwedischen, französischen, deutschen und italienischen Spezialisten benötigte vier Jahre – von 1964 – 1968 – und 40 Millionen US-Dollar, um die erste Lösung zu verwirklichen. Die Tempel wurden 210 m landeinwärts und 65 m höher wieder zusammengesetzt.
Sie wurden in mit Naturstein verkleidete „Hügel“ aus Beton eingebettet.
Inzwischen ist es 7.30 Uhr und wir sind angekommen.
Ein kurzer Spaziergang bis zum Eingang, wir reihen uns in die Scharen der ebenfalls Besichtigungswütigen ein und über eine kleine Anhöhe hinauf, eine Biegung, den Nasser-Stausee vor uns und links um die Ecke der erste Blick auf die Kolossalstatuen. AH!
Wir gruppieren uns um Mohamed und lauschen seinen Ausführungen. Wir müssen uns erst einmal „einhören“, denn durch das gute Deutsch von Ahmed sind wir sehr verwöhnt.
„Gewaltig! Gewaltig ist der Tempel von Abu Simbel. An den anderenTempeln in Edfu, Kom Ombo, Philae sahen wir die Tempel erbaut Stein auf Stein. Hier nicht! Der ganze Tempel ist in den Felsen geschlagen.
Ramses der II. baute nicht nur diese Tempelanlage sondern da drüben rechts noch eine kleinere Anlage für seine Gemahlin Nefertari.
Ramses der Zweite regierte 67 Jahre, ist im Alter von 92 Jahren gestorben.
Ramses der Zweite hat viel für Ägypten getan, er hat es verbreitert, vergrößert: bis zum Norden von Afrika und nördlich von Kairo bis zur südlichen Türkei. Damaskus, Teil von Libanon, Lybien, alle diese Länder waren unter der Herrschaft Ramses II.
Ramses der Zweite hat über 30 Tempelanlagen erbaut. Ramses der Zweite ist nie als alter Mann dargestellt, er ist immer jung dargestellt.
Ramses II. war ein gesunder Mann. Er war mit vielen Frauen, man sagt mit 55, verheiratet. Er hatte viele Kinder, man sagt er hatte 200 Söhne und Töchter.
Trotz der vielen Frauen hatte er nur eine Lieblingsfrau, Nefertari. Für sie erbaute er diese Tempelanlage.
Warum ließ Ramses II. die Tempelanlage hier erbauen?
Meine Damen und meine Herren, wir sind drei ein halb Stunden mit dem Bus gefahren. Sie habe nichts außer Wüste gesehen. Alles ist nubisches Land. Die Nubier hatten eine hohe Kultur. Sie haben immer gegen Ägypten gekämpft und haben auch mal in Ägypten regiert.
Ramses II. ließ den Tempel hier erbauen um zu sagen, ich habe die Nubier besiegt, ich bin ihr Herrscher.
Sehen sie die vier Figuren? Eine davon ist 1810 bei einem Erdbeben heruntergefallen. Der Kopf liegt zu Füßen. (meine Anmerkung: es muss dann wirklich naturgetreu wieder rekonstruiert worden sein!) Also sehen sie diese drei. Es ist unglaublich. Alle drei sehen sich absolut ähnlich, Doppelkrone von Unter- und Oberägypten, Kopftuch mit der Uräusschlange auf der Stirn, Augen, Nase, Mund, und das ist aus Granit mit einfachstem Werkzeug gehauen.
Sehen sie, Ramses ist dargestellt mit einem Bart. Was bedeutet das? Alle ägyptischen Könige kann man mit einem angeklebten Bart sehen, es bedeutet, ihm Würde zu geben.
Sie sehen in der Mitte zwischen den 20 m hohen Sitzfiguren Ramses des II. befindet sich der Eingang zum Tempel, darüber ist eine Reliefstatue des eigentlichen Sonnengottes Re-Harachte dargestellt als Sonnenscheibe und den falkköpfigen Horus und darüber 20 Paviane, die den Sonnenaufgang begrüßen. Erinnern sie sich, wo wir noch die Paviane gesehen haben? Im Edfu-Tempel, die Scheibe die den Sonnengott darstellt mit den Pavianen?“
Ramses macht nun ein Experiment. Er braucht 4 Männer, die sich neben ihn stellen.
Er erläutert:
„Drinnen, im Heiligtum, werden sie 4 Götter sehen.
Den ersten Platz nimmt Re-Harachte ein, dargestellt mit der Sonnenscheibe.
Den zweiten Platz nimmt Ramses ein. Zu erkennen: Auf seinem Kopf zwei Kartuschen. Er ist kein normaler Mensch, er ist ein Gott.
Er ist neben Re-Harachte und Amun-Ra, der Vater aller Götter.
Den dritten Platz nimmt Amun-Ra ein und
den vierten Platz nimmt Ptah, Gott des Schatten, ein.
Die Sonne geht täglich ihren Kreis aber bescheint täglich nur die Füße der drei Götter: . Re-Harachte, Ramses und Amun-Ra aber nie Ptah, den Gott des Schatten.
Nur zweimal im Jahr geht die Sonne weiter in den Tempel und erreicht die Gesichter der drei Götter: das erste mal am 21. Oktober, das war der Geburtstag Ramses des Zweiten und das zweite mal am 21. Februar, das ist der Krönungstag Ramses des Zweiten.
Ist es nicht unglaublich, dass die alten Ägypter es so ausrechnen konnten?
Es ist unglaublich. An diesen beiden Tagen ist es heute ein absolutes Schauspiel und Tausende von Leuten kommen um das zu sehen, aber sie können gar nicht alle im Tempel Platz finden. Die im Tempel das Erlebnis haben, sind schon Tage vorher gekommen, für diese eine Minute.
Durch die Umsetzung des Tempels hat es sich um einen Tag verschoben. Trotzdem unglaublich!
Sie sehen, Ramses ist viermal dargestellt. Warum nicht zwei- oder dreimal?
Ramses ist ein Gott, er ist kein normaler Mensch. Vier bedeutet die vier Himmelsrichtungen. „Ich bin der Herrscher der ganzen Welt“.
Er führte die Kadisch-Schlacht gegen ein Volk, das hieß Hethiter. Er besiegte sie und was machte er? Er heiratete die Tochter des Hethiter Königs und das nennen wir den ersten Friedensvertrag Ägyptens.
Meine Damen, meine Herren, im Inneren des Tempels darf leider keine Führung sein, so sage ich ihnen jetzt, der Eingang ist 50 m lang und 15 m hoch. Wie war es damals möglich, ohne Eisen und Träger so etwas zu schaffen? Es ist unglaublich!
Unglaublich ist auch, dass die Farben noch sehr, sehr gut erhalten sind, sehr intensiv.
Ich zeige ihnen nun einige Bilder: Die Säulenhalle, dann hier ist Ramses der Zweite in der Osirisform dargestellt. Osirisform nennen wir immer die Darstellung in Mumienform.
In der ersten Halle sehen sie die Darstellung Ramses in der Kadisch-Schlacht. Er ist kein normaler Mensch, also ist er auf dem Streitwagen mit 2 Bogen und 2 Pfeilen dargestellt. Er kämpft gleichzeitig gegen zwei Feinde.
In der zweiten Halle sehen sie die heilige Barke des Sonnengottes Re-Harachte.
Weiter drin sehen sie Gott Amun-Min, Gott der Fruchtbarkeit.
Im Heiligtum sehen sie dann die vier Götter, einer davon ist Ramses, als Gott dargestellt und ganz rechts den Schattengott.
Es gibt noch viele Nebenkammern und Magazine zu sehen.
Wenden wir uns nun dem Nefertari Tempel zu. Sie sehen 6 Figuren. Ramses ließ ihn ja für seine Frau erbauen und man möchte annehmen, dass sie die Hauptfigur ist, aber nein! Vier mal ist Ramses dargestellt und nur zweimal seine Lieblingsfrau Nefertari.
Der Tempel war auch für die Göttin Hathor gebaut und Hathor war, wie sie wissen, Göttin der Freude, Liebe und Zufriedenheit und sie wird viel als Kuh oder kuhohrig dargestellt.
Drinnen werden sie vier Säulen sehen auf denen Hathor und Nefertari dargestellt sind.
Warum ließ Ramses für Nefertari den Tempel bauen? Man vermutet dass sie Nubierin war, sehr hübsch.“
Mohamed macht immer wieder darauf aufmerksam, dass ja eigentlich Nefertari die Hauptperson sein sollte, dass sich aber Ramses stets im Vordergrund darstellen ließ und Nefertari hinter ihm. Ganz deutlich wird es bei der Opferdarbringung an die Göttin Hathor. Er zeigt wieder Bilder, zum Beispiel Nefertari zwischen Isis und Hathor wie sie von diesen zur Göttin gekrönt wird. Er zeigt auch die Darstellung Seths mit Horus. Er erzählt noch mal aus der Entstehungsgeschicht von Seth und Osiris.
Soviel zu den Tempeln drinnen.
Nun haben wir „Freigang“ und wälzen uns mit den Massen durch die Tempelanlagen.
Es ist jedoch ganz erstaunlich, hält man sich links in den Nebenräumen auf, ist man fast alleine und hier ist auch die Luft etwas besser.
Erstaunlich ist wirklich die Farbintensität und durch die gute Vorbereitung durch Mohamed findet man auch die beschriebenen Szenen. Fotografieren darf man leider auch nicht, so müssen wir uns später auf die Abbildungen in einem Buch beschränken.
10 Uhr ist wieder Treffen am Bus an-gesagt. Auf dem Weg dorthin sieht es teilweise aus, als seien wir alleine. Ein Stück weiter werden wir heftig von den Händlern mit Büchern und Tüchern belästigt. In einem Geschäft erstehen wir total überteuert ein Buch über Abu Simbel. Handeln mit dieser Intensität liegt uns nicht. Ich hasse es!
Dennoch war die Fahrt nach Abu Simbel ein Erlebnis.
Knapp 3 Stunden später sind wir nach 275km wieder an der Phoenix-Schiffanlegestelle. Die Rückfahrt war schneller, da der Umweg über die Sammelstation wegfiel.
Auf meine Frage, wie wir nun wieder zu unserem Schiff kommen, erklärt uns Mohamed, wir sollen im Bus sitzen bleiben bis alle ausgestiegen sind, wir werden dann die 9 km mit dem Bus zurückgebracht.
Für den großen Bus war es dann allerdings etwas schwierig einen Wendeplatz auf der schmalen Straße zu finden, aber auch das gelang dem guten Fahrer und der Motorboot-Fahrer erwartete uns bereits wieder. Und wir, wir sind wieder von Ahmeds Organisationstalent begeistert.
Noch die zehnminütige Nilüberquerung und wir werden um 1 Uhr 30 bereits von der Reling von dem mit uns reisenden Ehepaar und Ahmed freudig begrüßt, sie haben mit dem Mittagessen auf uns gewartet.
Ist das nicht nett?
Sie berichten, dass sie den Vormittag mit einem Bummel über das hinter unserem Ankerplatz liegende Dorf verbracht haben und sind ebenfalls ganz begeistert, dass die Schiffsbesatzung so besorgt um sie war, dass einer sie begleitete. Sie sahen noch wie der Brunnen von einer im Kreis gehenden Kuh betrieben wird.
Nach dem Mittagessen gesteht uns Ahmed eine Ruhepause bis gegen 15 Uhr zu, dann geht es zum letzten Ausflug hier in Assuan, zum Botanischen Garten.