Curral das Freiras ist unser heutiges Tagesziel.
Inzwischen sind wir ja schon ganz erfahrene Nutzer der öffentlichen Linienbusse.
Übrigens, das erste Mal, dass wir keinen Leihwagen in einem Urlaub haben. Na, bitte.
Die Linie 81 bringt uns um 10 Uhr zum Haltepunkt Eira do Serrado. Großer Touristenandrang. Auf einem kurzen Pfad gelangen wir zu einem Miradouro. Einem Adlernest gleich ist dieser Aussichtspunkt. Einen schönen schaurigen Blick in die Tiefe teilen wir uns mit etlichen anderen Besuchern. Auf dem Rückweg erstehe ich – nach einem Deal mit Manfred, dass ich dann nicht mehr das Wort „Agapanthus“ ausspreche – ein T-Shirt mit dem Foto einer schönen blauen Agapanthusblüte. Danach machen wir uns um 11.15 Uhr auf den abenteuerlichen, steilen Abstieg nach Curral das Freiras. Wir gehen unter Unmengen Esskastanienbäumen durch, waten regelrecht durch heruntergefallene Esskastanien, hören Glockengeläut, ganz romantisch und — versteigen uns. Hangeln uns von einer kleinen bewirtschafteten Terrasse zur nächsten, an Ziegenställen vorbei, um dann endlich wieder auf dem richtigen Weg zu landen. Nun fängt es zu allem Übel auch noch leicht zu regnen an. Um 12.50 sind wir dann in dem kleinen Örtchen, das wörtlich übersetzt: “ Stall der Nonnen“ heißt.
Diesen seltsamen Namen verdankt der Ort der Tatsache, dass sich das ganze Tal einst im Besitz des Klosters Santa Clara in Funchal befand. Als französische Piraten 1566 Funchal überfielen, plünderten und brandschatzen, brachten sich die Nonnen des Klosters heimlich nach Curral das Freiras in Sicherheit. In dem abgelegenen, nur über halsbrecherische Bergpfade zu erreichende Tal hielten sie sich versteckt, bis die Freibeuter nach zwei Wochen wieder in See stachen.
Ein kurzer Rundgang, Kirchenbesichtigung und dann Einkehr. Natürlich: Kastaniensuppe, Kastaniensalat. Am Nebentisch sitzt ein Herr, der uns einen 8 Jahre alten Madeirawein ausgibt, da ihm dieser so gut mundet. Dann probieren wir gemeinsam noch Kastanienlikör. Muß nicht sein. Wie sich herausstellt, kommt der Herr aus Berlin und verbringt jedes Jahr einige Zeit in Porto da Cruz, der Ort, der uns in Aufregung versetzte. Er bietet uns an, mit seinem Pkw statt mit dem Bus nach Funchal zu fahren. Wir nehmen dankend an.
In Funchal gehen Manfred und er noch ein Bier trinken und ich nutze dies aus um in den Nachbarort zu fahren, der für seine Korbflechtarbeiten berühmt ist. Da muß ich hin – ich mit meinem Korbtick.
Um 15.10 Uhr bekomme ich die Linie 29 und fahre für 1.35 Euro nach Camacha. Alles grau in grau, Regen. Schräg gegenüber der Bushaltestelle befindet sich das Café Relógio, dessen Uhrturm gleich neben dem Miradouro wohl dem Big Ben in London nachempfunden ist, denn die ersten Besitzer des Hauses waren reiche Engländer, die im 19. Jahrhundert hier einen Sommersitz hatten. Das Gebäude ist heute Sitz der größten Exportfirma für Korbwaren auf Madeira, welche vor allem in Camacha gefertigt werden. Über 3 Etagen erstreckt sich dieses vielfältige Angebot. Im Untergeschoß sehe ich den Korbflechtern beim Sesselflechten zu. Ein rascher Rundgang zeigt mir eine Fülle von einfachen Körben über Hängeampeln für Blumen, Handtaschen, Zeitschriftenständer, Hüte, Tabletts, Korbmöbelgarnituren, und, und, und.
Auf die Schnelle entscheide ich mich für ein Körbchen, das ich als Nähkörbchen gebrauchen kann. Mit 7.98 Euro bin ich dabei. Da es regnet, der Ort außer als Ausgangspunkt für Wanderungen nichts zu bieten hat, schaffe ich den Bus um 16.15 Uhr retour. Rekord!
Nun habe ich noch etwas Zeit um mir das Scienic-Museum näher anzusehen, erstehe dort ein Buch über Madeira, spaziere zum Rathaus hoch, das aus der Barockzeit stammt, bestaune den wunderschönen Innenhof, in dem der Brunnen mit Leda und dem Schwan auffällt und betrachte das steinerne Stadtwappen. Das Wappen, das König Manuel I. der Stadt Ende des 18. Jahrhunderts verlieh, trägt fünf Zuckerhüte und vier Weintrauben – beides Symbole für die einstigen Säulen der Inselwirtschaft.
Der Rathausplatz ist beeindruckend. Er wird flankiert von dem Gebäude des Jesuitenkollegs und dem alten Bischofspalast, in dem heute das Museum de Arte Sacra unterbracht ist.
Über das Jesuitenkolleg habe ich nachgelesen, dass nach dem Piratenüberfall von 1566 die Jesuiten nach Madeira kamen, um zu verhindern, dass die reformatorischen Ideen der hugenottischen Korsaren in der Bevölkerng um sich griffen. Bald machten sie wohl auch recht gute Geschäfte im Weinbau Das Kolleg diente den männlichen Sprösslingen reicher Familien als Oberschule. Nach der „Nelkenrevolution“ – 1974 setzt diese der Diktatur in Portugal ein Ende – wurde 1975 die neugegründete Universität von Funchal hier untergebracht.
Die Kirche, im 17. Jahrhundert im Barockstil errichtet, trägt an der Fassade die Marmorfiguren einiger Jesuitenheiliger. Links unten ist der Ordensgründer Ignatius von Loyola zu erkennen.
Mit der Linie 45 fahre ich für 1.35 Euro um 17.30 Uhr zum Hotel zurück. Hier holt mich Manfred schon vom Lift ab. Ein paar Tapas gegessen, ausgeruht und dann gehen wir auf die Suche nach einem Lokal. Hoch, hoch, hinaufgewandert und in einem Art Mitnahmerestaurant mit Restaurantteil gelandet. Das Einzige in diesem Stadtteil, weit und breit. Haben dort ganz gut gegessen und heimwärts, bergab, ist es weniger anstrengend.